[211] Schöne Historie von den vier Heymonskindern Adelhart, Ritsart, Writsart und Reinold, samt ihrem Roß Bayart, was sie für ritterliche Thaten gegen die Heiden zu Zeiten Caroli magni König in Frankreich, und ersten römischen Kayser begangen haben. Dem ist beigefügt das Leben des heiligen Reynoldi, des jüngsten von den vier Gebrüdern, was er für Wunderzeichen und Mirakeln durch Zulassung Gottes gethan hat. Köln am Rhein und Nürnberg.
Wie ein Eichbaum stolz und fest steht dies Werk in der Umgebung einer großen, historischen Vergangenheit unter den Rittergedichten da. Was die untergegangene Heracleide den Griechen mag gewesen seyn, das dies Gedicht der neuern Zeit. Wie Hercules abgebildet wird, fest und grandios, mit gewaltigem torosem Muskelbau, breiter hochgewölbter Brust, aber kleinem Kopfe und niedrer Stirn, im Ausdruck einer innern bornirten Intelligenz bei überschwenglicher Lebens- und Muskelkraft, dabei mit der Miene von kecker Ruhe und Sicherheit, und der gutmüthigen, ehrlichen Herzhaftigkeit, so erscheint Reinold in dem Werke. Wie ein Löwe stark und kühn, trotzig, auffahrend, fest auftretend und zermalmend wohin er trifft, dabei doch wieder besonnen, und in ruhig bescheidner Haltung; rasch und wild im Ausbruch, dann wieder barmherzig, mitleidig und mild und gerecht; zornig und dann wieder fromm, zutraulich und ehrlich, so durchaus charakterisirt sich der Held von dem Augenblicke an, wo sein Vater ihn entdeckt, und er nun ergrimmt zu ihm spricht: »wenn ihr mein Vater nicht wäret, ich wollte euch dermaßen schlagen, daß ihr müßt liegen bleiben!« weil er so freundlich an seine Brust und Wangen ihn drückt, daß ihm die Nase blutet, bis zu dem Momente, wo er ihn selbst gefangen auf sein Pferd aufbindet, und er ihn dem Carl zuführt, um ihn zu lehren, daß er seine Kinder fange. Und diesen muthigen, kecken Heldenjüngling nun, und bei ihm ein gleiches Heldenpferd, das Roß[211] Bayard, und dabei die gute Klinge Florenberg, überdem noch drei tapfere Brüder und den Vetter Malagis, in allen Künsten der Nigromantia erfahren, diesem Bunde, setzte der Dichter voraus, müsse die Welt nicht widerstehen können. Und als Repräsentant dieser Welt mußte ihm keiner tauglicher seyn, als der Herr des ganzen Occidents, Carolus magnus, der, nachdem er die Sachsen bezwungen, und den großen Raubstaat der Hunnen zerstört – bald am Nordmeer der Normänner und Dänen wilde Kraft bekämpfte, bald jenseits der Alpen die italiänischen Völker überwältigte, und dann wieder jenseits der Pyrenäen mit den Sarazenen siegreich rang; dem daher beinahe der ganze Westen gehorchte; um dessen Freundschaft der Osten sich bewarb; der der stolzen Byzanz gegenüber eine occidentalische Roma gründete, und mit dem orientalischen Kaiserreich sich in das Erbe der Römer, die Weltherrschaft, theilte, während beiden gegenüber das geistliche Reich des Pabstes wieder in religiöser Einheit sie verband. So ist also das Epos der Kampf jenes Bundes mit diesem Regenten, und mit der höchsten Haltung und Ruhe entwickelt nun das Gedicht diesen Kampf durch 16 Jahre hindurch, in dem mannigfaltigsten Wechsel der Begebenheiten, und mit dem ganzen Zauber der Romantik ausgestattet. Es ist gar nicht zu verkennen, daß dem Dichter Homers Ilias vorgeschwebt; außerdem daß, wie wir gleich sehen werden, wenn wir von dem französischen Romane des gleichen Namens reden, unmittelbare Hinweisungen auf dies Gedicht sich finden, sind die einzelnen Helden mehr oder weniger, obgleich in durchaus freien Verhältnissen, den Helden der Iliade nachgebildet. Während Reinold in allen seinen Beziehungen, so weit die Fabel es erlaubt, der Hector des Gedichtes ist, und der alte Heymon der Priamus, erscheint hingegen Carl als Agamemnon, trefflich gehalten, und zwar im teutschen Volksbuche, indem er Hugo von Bourbon tödtet, zuerst zornig und hingerissen von fremder, bewußtlos ihn treibender Gewalt; dann wieder königlich und gerecht, indem er großmüthig Beleidigung verzeiht, bis Reinold seinen Sohn Ludwig schlägt, wo er nun aufgereizt zur Wuth, wild und unversöhnlich bis zum Eigensinn erscheint, und diese Unversöhnlichkeit auch da noch fort behauptet, wo die Brüder aus der Gefangenschaft ihn entlassen, und am Ende noch gegen das Roß Bayard den tiefen Groll und Haß hinwendet, das als Sühnopfer getödtet wird; dabei oft pedantisch beinahe und gothisch befangen, in dem Stile wie das Bildnerwerk an Dagoberts Grabe gedacht, im Ornate der Zeit, unbehülflich oft, aber scharf und bestimmt gezeichnet. So wunderlich fremd, und strenge und dunkel wie der Heerführer ist auch seine Umgebung; die ganze Genossenschaft ein Granitsäulengang, ein trotziger, fester, kecker Heldenadel, wie er den griechischen Fürsten umgab; ergeben ihrem König, aber auch wieder stark und kräftig so auf eignen Füßen stehend, und durchaus in heroischer Individualität scharf und streng gehalten. Der Geist dieser Genossenschaft aber concentrirt sich im Achilleus-Roland. Die ganze wunderbare Reizbarkeit eines stolzen, durch und durch muthigen Gemüthes; dieser Heroismus im dunkeln, tiefen Impulse einer verhüllten im innern Menschen wohnenden Macht lebend, und daher in seinen Ausbrüchen lyrisch launenhaft erscheinend; dieser reine Sinn für Ehre und[212] Rechtlichkeit in Wort und That; diese hohe Exaltation der Liebe und des Hasses; dies reiche Metall im innersten Busen erklingend bey jedem Schwerdtesschlag; dieser herrische, unbeugsame Character, der bis zur wilden Ungezähmtheit früher bei Heymon gieng; Alles erscheint in wunderbarer Objectivität in diesem Roland dargestellt, und erinnert überall an den Helden der alten Zeit, der hier in der allgemeinen Metempsichose in romantisch freien Formen wiederkehrt. Alle höhere Intelligenz aber erscheint durch das ganze Werk als Zauberey, und wie List und Verschlagenheit im Odysseus ihren Repräsentanten fanden, so finden sie ihn hier in dem Schwarzkünstler Malagys, in dem nun wunderbare romantische Feueradern durch das Ganze schiessen, in der Szene z.B. auf der Brücke, wo die beiden Bettler einen goldnen Becher mit Edelsteinen besetzt zwischen sich stehen haben, in dem Malagys einen köstlichen Zaubertrank von dem allerköstlichsten Wein und allerlei Kräutern und Spezereien bereitet, und der König nun ein Schnittlein begehrt, weil der Pabst zu Rom die Messe darüber gelesen, und er Entledigung seiner Sünden hofft, und dann die Knechte mit gefalteten Händen kommen, und auch Schnittlein zu sich nehmen. Dann wieder das seltsam Humoristische in der Szene, wo Malagys dem Könige aufwartet, und dieser ihm ein Bißlein von einem Pfauen in den Mund stecken will, und er ihn nun in den Daumen beißt also hart, aus Rache, daß er vorher mit dem Fuße ihn gestoßen. Und so erscheint das Ganze dann wie ein großer Basaltsäulenweg, ein Riesendamm über die Wogen der Zeit mit den scharfen Crystallen hervorbrechend, aus einer großen eisernen Geschichte heraus, wo das Leben ganz hinter das Metall zurückgetreten ist, und der Held in der Rüstung nun wie großes Naturwerk fest und unerschütterlich dasteht.
Was wir bisher von diesem Gedichte ausgesagt, ist zwar im Allgemeinen von dem teutschen abgezogen; es gilt aber auch vom Französischen, obgleich dies bedeutend in der Handlung und der Natur der Begebenheiten abweicht von Jenem. Auch in Frankreich ist nämlich das schöne Kunstwerk zum allgemein gelesenen Volksbuch geworden, und geht dort in der neuesten Ausgabe unter dem Titel: Histoire des quatre fils Aymon, très-nobles et très-vaillans Chevaliers. A Troyes de l'imprimerie de la Citoyenne Garnerin 135. S. 4., um, und schon gleich der Anfang ist ganz verschieden von dem Teutschen, und allerdings der Zorn Carls besser und gründlicher motivirt. Der Kaiser kehrt von einem Feldzuge in Italien gegen die Sarazenen zurück; bei dem Pfingstlager beschuldigt er vor den Pairs den Herzog Beuves d'Aigremont, und seine drei Brüder, daß sie ohne Unterstützung ihn gelassen, und sendet ihm seinen Sohn Lohier nebst hundert Reutern, mit der Drohung, wenn er sich nicht auf St. Johann an seinen Hof verfüge, werde er Aigremont belagern, sein Land verheeren, ihn und seinen Sohn aufhenken, und sein Weib verbrennen. Lohier entledigt sich seines Auftrags, es kömmt aber darüber zum Streite zwischen ihm und dem Herzog, und er wird getödtet mit seinen Begleitern bis auf zwanzig, die der Herzog mit der Leiche an Carl zurücksendet. Darüber entsteht ein Krieg, an dem Aymon von Dordogne mit seinen vier Söhnen Regnault, Richard, Alard, Guichard, die der[213] Kaiser eben erst zu Rittern geschlagen, keinen Antheil nimmt, seiner Verwandtschaft mit dem Herzog wegen; indessen wird Aigremont geschlagen, und weil er vor Carl sich demüthigt, läßt dieser ihm Gnade widerfahren. Auf Veranlassung Ganelons wird er indessen, als er sich an den Hof begeben will, meuchelmörderisch auf dem Weg ermordet. Beym nächsten Pfingstlager kömmt Heymon mit seinen Söhnen nach Paris, und macht dem Kaiser Vorwürfe, daß er sein gegebenes Wort gebrochen; dieser rechtfertigt den Mörder, daß er Gleiches mit Gleichem nur vergolten. Als aber die vier Söhne vor ihn kommen, da sagen sie: »Siret Ihr habt uns zu Euch entboten, aber wißt, daß wir Euch nicht lieben, denn ihr habt unsern Onkel erschlagen«. Der König aber wird roth vor Zorn, und sagt zu Regnault: »Unseliger! entferne dich; ohne die Andern würde ich dich in ein so dunkles Gefängniß werfen, daß du auf lange nicht mehr das Licht erblicken solltest«. R. geht aufgebracht weg, und als er mit Berthelot, dem Neffen des Königs Schach spielt, entsteht ein Streit unter ihnen, in dem B. den R. verwundet, und Dieser Jenen dafür tödtet, worüber ein allgemeines Gefecht zwischen den beiden Partheyen sich entzündet, während dessen die Brüder sich entfernen, und mit Malagys Dordogne gewinnen, von wo aus sie, nachdem sie sich mit Geld versehen, nach den Ardennen eilen, und dort das Schloß Montfort bauen. Von allem dem erwähnt das teutsche Buch nichts; der Tod Hugo's von Bourbon fehlt dagegen hier, und der Krieg mit Heymon, und wie Carl ihn um Verzeihung bittet, und seine Schwester Aya ihm zur Gemahlin giebt; und die Szene, wie Reinold den Koch des Königs tödtet und die Gäste aus den Betten wirft, und sogar Carls Sohn Ludwig schlägt und umbringt; und endlich auch die ganze Geschichte von Heymons Verhältnissen in seiner Ehe, und wie er seine Söhne zu Rittern schlägt. Dagegen ist wieder das zunächst Folgende allein dem französischem Werke eigen. Carl nämlich, als er den Bau von Montfort gewahrt, belagert das Schloß mit einem Heere, bei dem auch der alte Heymon, seiner Lehnspflicht getreu, sich befindet, und es wird von beiden Seiten in den Ausfällen mit Erbitterung gefochten, wobei aber die Brüder immer siegreich sind. Hernier erbietet sich endlich die Feste mit List zu gewinnen; er meldet sich als Verfolgter und Ueberläufer vor dem Schlosse und wird aufgenommen; ersieht darin die Gelegenheit, und öffnet um Mitternacht die Thore; Alard's Pferd wird indessen darüber unruhig, die Brüder erwachen; es kömmt zum Gefechte zwischen den Eingedrungenen und den Belagerten, das damit endet, daß Jene, da es R. gelingt, die Pforte wieder zu schließen. Alle vernichtet werden, bis auf Hernier und zwölf andere, die man dem Feuer überliefert. Indessen hat das angelegte Feuer alle Lebensmittel und die Hofgebäude verzehrt; die Brüder müssen daher das Schloß räumen, und ziehen ab um Mitternacht. Als Carl ihre Entfernung gewahr wird, verfolgt er sie bis an eines Flusses Ufer, wo er endlich ermüdet absteht, und seine Ritter entläßt. Die Brüder haben indessen jenseits eine schöne fruchtbare Gegend gewonnen, in der sie ausruhen; aber Heymon, als er mit seinen Gefährten heimkehren will, stößt dort auf sie, greift sie an und R. muß sich endlich mit fünfzig, die ihm von 500 allein übrig geblieben sind, auf einen[214] Berg flüchten: endlich, nachdem H. fortgewüthet, schmilzt auch diese Zahl wieder bis auf 14 ein; R. zieht sich damit über einen Fluß zurück; und als er die vielen Gebliebenen überdachte, da konnte er seine Thränen nicht zurückhalten, und die Geschichte sagt, Heymon sein Vater habe auch geweint. Nachdem er einen Strom von Thränen vergossen, sagt er: »Wehe meine Kinder! wie schmerzt es mich, daß ich euern Untergang verschuldete; künftig werdet ihr flüchtig umherirren: an Allem wirds euch fehlen, und ich werde euch nicht unterstützen können!« Er zieht darauf nach Paris zurück; als er aber Carln ansagt, was er gethan, da erzürnt sich Dieser, und sagt: »Eure Entschuldigung ist übel; nie hat ein Rabe seine Jungen noch gefressen«. Heymon erbietet sich zum Zweikampf; »nie«, sagt er, »habt ihr euere treusten Ritter geliebt; immer habt ihr die Schmeichler vorgezogen, und immer ist nur Uebles davon entstanden«. Er kehrt darauf erbittert nach Dordogne zurück. – Die Brüder aber irren nun elend und von allem entblößt in den Ardennen umher, Sattel und Zeug auf ihren Pferden verfaulen, und sie selbst werden schwarz und unkenntlich. Endlich entschließen sie sich ihre Mutter aufzusuchen, und wie sie Diese wiederfinden, mag sie ihre Söhne kaum erkennen, so elend waren sie in den sieben Jahren geworden. Heymon kehrt indessen von der Jagd zurück, und wird sehr erzürnt gegen seine Kinder, wie er sie erblickt, und sagt: »Elende! ihr seid keinen Heller werth.« »Vater«, sagt R., »ihr habt sehr unrecht gehabt, uns Böses anzuthun; neulich habt ihr uns unser schönes Schloß Montfort genommen; dann habt ihr in den Ardennen uns unsere 500 Ritter bis auf 14 erschlagen: weil ihr uns aber so übel wollt, so haut uns die Köpfe ab; ihr werdet Freund sein von Carl, und Feind von Gott«! H. fühlt wohl die Stärke von dem was R. gesagt; er seufzt daher tief, und sagt: »Denkt darauf, bald euch von hier zu entfernen«! R. erwiedert: »Ihr sprecht sehr hart; ihr habt uns so viel Leute erschlagen, daß wir nirgend anderst hin, als in euer Land kommen können«. Aber H. will nicht seine Einwilligung dazu geben; da wird R. aufgebracht, und zürnt: »Ich erkenne jetzt euern bösen Willen, und ich fühle, daß ihr nur unsern Untergang wollt. Wenn ihr denn gänzlich entschlossen seyd, uns von hinnen zu treiben, so sollt ihr's auch theuer bezahlen müssen«! und damit zieht er erbittert und bleich sein Schwerdt halb aus der Scheide; Alard aber läuft hinzu, um ihn zu umfassen, und spricht: »Laß, ich bitte dich, deinen Zorn; unser Vater ist unser Herr; er kann thun, was ihm gut dünkt; wir müssen ehrerbietig ihm gehorchen; hüthe dich Hand an ihn zu legen; das wäre wider Gottes Befehl«! »Bruder«, sagt R, »es fehlt wenig, daß ich ihn nicht schelte, wenn ich sehe, daß der, welcher uns vertheidigen sollte, uns vielmehr verfolgt.« Da fängt Heymon zu weinen an: »Wie bin ich unglücklich, daß ich des Gutes nicht genießen kann, das mir Gott gegeben hat; wie wäre ich glücklich, wenn meine Kinder Frieden hätten mit dem Kaiser Carl; nie hatte Priam muthigere Söhne«! Dann sagt er zu R.: »Du bist groß wie Hector; ich verlasse mich daher auf dich«; dann wendet er sich zur Herzoginn: »Ich will nicht mehr seyn mit Carl; gieb Gold und Silber, Pferd und Waffen meinen Kindern«. – Das Alles fehlt größtentheils im Teutschen; nun aber fällt die Geschichte wieder ein. Die[215] Brüder kommen zum König Yon von Gascogne, verjagen die Sarazenen, bauen das Schloß Montauban: Regnault nimmt des Königs Schwester Clarice zur Ehe; Roland kömmt an Hof mit 30 Rittern, vertreibt die Sarazenen, die Cöln belagern; Carl setzt, um ihm ein tüchtiges Pferd zu verschaffen, seine Krone zum Preise aus, den R. gewinnt, und belagert endlich die Brüder mit einer Armee, die Roland anführt, im Schlosse von Montalban; – im Ganzen wie im Teutschen, nur Alles bestimmter und mehr ausgeführt. Roland lagert sich auf dem Platze von Balançon, und geht dann auf die Jagd, während welcher R. zu seinem Zelte dringt, und den goldnen Drachen ihm entführt, wund ihn auf dem höchsten Thurm aufpflanzt, daß Carls ganze Armee ihn erkennt. – Dann der Verrat des Königs Yon, ebenfalls wieder besser motivirt: wie die Brüder wehrlos in Scharlachmänteln mit Hermelin verbrämt, und mit Rosen in den Händen, auf die Ebene von Vaucouleurs auf Maulthieren ziehen, und wie es dann zum harten Gefechte kömmt, und Malagys endlich sie vom Untergange rettet; – Alles wieder mit vielen eingeschobnen Episoden, die im Teutschen fehlen. Die weitere Folge ziemlich harmonirend, wie Yon Rolanden abgejagt, Richard aber dagegen gefangen wird. Da ißt Malagys ein Kraut, wovon er aufschwillt wie eine Kröte; reibt sich darauf mit einem andern Kraute, und wird schwarz wie eine Kohle und so geht er zu Carls Lager, und wird von ihm gespeis't, weil er Uebels redet von den Heymonskindern, wobei Carl Richarden mit einem Stocke schlägt, und dieser dafür bei der Mitte des Körpers ihn umfaßt und niederwirft: am folgenden Tage aber befreit R. seinen Bruder Richard vom Galgen, und Ripus und seine zwölf Gesellen werden dafür gehenkt. Dann folgt der Zweikampf mit Carl, und wie R. auf einen Augenblick ihn zum Gefangenen macht, nachdem er vorher das Roß Bayard um Versöhnung ihm angeboten, wobei aber dieser unversöhnlich bleibt. R. überfällt dann den König in seinem Lager, raubt den goldnen Adler von seinem Zelte; Malagys wirft die Lanze nach ihm und wird gefangen. Carl aber sammelt die Pairs um sich, und will die Krone niederlegen; diese aber besänftigen ihn, und versprechen auf's neue Treue, und erbieten sich, ihm Regnault und Malagys gefangen auszuliefern. Malagys wird vorgeführt, Carl freut sich darüber; der Gefangene erlangt mit Mühe Aufschub seiner Hinrichtung bis auf den folgenden Tag gegen Bürgschaft der Pairs. Um sich fewer zu versichern, läßt Carl des Nachts hundert Fackeln anzünden; er bewacht ihn gefesselt an eine Säule mit Ketten und einem eisernen Halsband sammt allen Pairs. M. aber bezaubert sie Alle, daß sie einschlafen, zerreißt seine Ketten, nimmt Roland seinen Durandal, Oliver sein Hauteclair, und allen andern Pairs ihre Schwerdter; reibt dann mit einem Kraute des Königs Nase, entzaubert ihn damit, kündigt ihm an was er gethan, und entweicht. – Alles wohl auch im Teutschen, aber anderst erzählt. Carl schickt Gesandte, worinn er R. Frieden bietet, wenn er Richarden ihm ausliefere, daß er nach seinem Willen mit ihm thue; die Gesandten bereden die Brüder, mit ihnen zu Carln zu ziehen; dieser, davon unterrichtet, schickt ihnen Roland entgegen, daß er sie fange; es kömmt zum Zweikampf zwischen ihm und Regnault, woeinn auf Carls Gebet,[216] der für Jenen fürchtet, eine Wolke die beiden Kämpfet umhüllt, daß sie sich einander aus dem Gesicht verlieren. Roland begleitet endlich R. nach Montauban zurück, zum höchsten Erstaunen Carls, der ihnen bis zum Thore folgt, und ruft: »Reg. was du gethan, ist bös gethan; so lange ich lebe wirst du den Frieden nit haben.« – Alles im Teutschen fehlend. Carl lagert sich mit seiner Armee vor die Thore; Malagys entführt ihn durch Bezauberung von dort nach Montalban, entweicht dann in einen Wald, und wird Einsiedler. Als Carl erwacht und sich gefangen sieht, wird er so wüthend, daß Alle die zugegen sind, ihn närrisch geworden glauben, und schwört, wenn er lebe, solle Friede nicht werden, so lange er in Montauban bleibe, bis man ihm Malagys ausgeliefert habe. Er besteht fest auf seinem Sinne, allen Vorstellungen der umgebenden Pairs zum Trotze, und schwört bei'm heiligen Denys, daß er nichts von Allem thun werde, bis er M. habe, um mit ihm nach Belieben zu verfahren. Reg. steht endlich auf, und erklärt ihn, gegen den Rath seiner Brüder, im Angesicht aller Barone frei, und Carl reitet auf dem Roß Bayard in sein Lager zurück. Die Belagerung aber wird noch mit größerer Obstination fortgesetzt; der alte Heymon ist gleichfalls wieder bei der Belagerungsarmee, und muß wie die andern Schleudermaschinen bauen, um die Thürme einzuwerfen; es entsteht in der Festung große Noth; alle Pferde sind verzehrt, und nun soll auch Bayard geschlachtet werden. Wie R. aber zu dem Zwecke eintritt in den Stall, seufzt das Pferd tief auf; R. davon gerührt, erklärt, daß er sich lieber selber tödten wolle; die Kinder aber weinen sehr, des großen Hungers wegen. R. giebt ihm etwas Heu, denn er hatte nichts anderst ihm zu geben, und als er zu seinen Brüdern kömmt, findet er Alard, der seinen Sohn Aymonet weinend hält; Richard hält Yon, Clara aber liegt in Ohnmacht. R. reitet darauf hinaus zu seinem Vater ins Lager, und dieser läßt sich bereden, und giebt ihm Lebensmittel mit, Bayard trägt soviel als zwei Pferde tragen mögen; und dann wirft er ihnen noch Fleisch und Brod mit den Wurfmaschinen ins Schloß. Carl aber, erzürnt darüber, gebietet ihm die Armee zu verlassen. Die Noth kehrt daher bald zurück; Bayard wird Blut abgezapft; endlich da auch er entkräftet keines mehr geben kann, verlassen sie Montalban durch einen unterirdischen Weg, den sie entdeckt, und erreichen Dordogne. Als Carl ihre Entfernung gewahr wird, folgt er ihnen, und belagert sie von neuem dort, und schwört von dannen nicht zu weichen, bis er die vier Heymonskinder schimpflich gehenkt habe. Richard von der Normandie, einer der zwölf Genossen, wird bei einem Ausfalle gefangen, und Carl sendet den Duc de Naimes an R. und läßt ihm entbieten, daß wenn er den Gefangenen und R. herausgeben wolle, er ihm Friede schenken werde. R. erwiedert, daß er Richard an der großen Pforte henken lassen werde, und daß er mit Carln eben so verführe, wenn er in seinen Händen wäre. Nun werden die Pairs im Lager schwierig, sie drohen ihn Alle zu verlassen, Carl bleibt unversöhnlich; sie führen, nachdem sie alle Vorstellungen umsonst versucht, ihre Drohung wirklich aus, und verlassen ihn mit allen ihren Leuten, so daß nur die armen Edelleute zurückbleiben. Reg. hatte eben seinen letzten Boten an Carl gesendet; der Galgen ist errichtet, und[217] der Herzog unter ihm; Carl antwortet, daß er nichts von Allem wolle, und daß er sich nicht erkühnen dürfe, dem Herzog irgend Uebels zu thun. Aber nun hat auch des Königs Starrsinn den höchsten Punkt erreicht, und er bricht sich endlich, da er von Allen sich verlassen sieht, und nicht, wie im Teutschen, weil seine Schwester Aya bittend für ihre Enkel ihm zu Füßen fällt. Er schickt den Genossen einen Boten zu, daß sie zurückkehren sollten, er wolle nachgeben ihren Wünschen, und den Brüdern verzeihen; und als sie darauf wiederkommen, erklärt er, sein Haß sey so groß gegen R., daß er ihn seines Stolzes wegen nicht ertragen könne; wenn er Frieden mit ihm haben wolle, müsse er in schlechter Kleidung über's Meer hinwandern, und das Roß ausliefern; dann würde er seinen Brüdern ihr Erbe wiedergeben. R. willigt ein, und wandert mit Mal. nach Jerusalem. Der König aber zieht ab nach Lüttich, und als sie auf der Maasbrücke angekommen sind, läßt er Bayard das gute Pferd vorführen, und sagt zu ihm: »Bayard, du hast mich oft erzürnt, jetzt aber will ich Rache an dir nehmen.« Er läßt ihm darauf einen Stein an den Hals hängen, und ihn in die Maas werfen, und Bayard geht unter. Als der König das sah, hatte er viele Freude, und sagte: »Ich habe was ich wollte; das Pferd ist verdorben.« Bayard aber schlug den Stein weg, gewann das Ufer, wieherte laut, und dann fing er so schnell zu laufen an, daß es schien, als ob der Blitz ihn vor sich triebe, und gewann den Ardennenwald. Carl wurde darüber sehr erzürnt, alle Barone aber waren sehr erfreut darüber. Viele Leute sagen, Bayard sey noch lebend im Ardennenwald, aber wenn er Menschen sehe, fliehe er, daß man sich ihm nie nähern könne. Dann folgen die Abentheuer mit den Persern vor Jerusalem und in Sicilien: weiter nach der Rückkehr R. in sein Vaterland ein Kampf seiner Kinder mit den Nachkommen Ganelons, und endlich sein Martyrthum und seine Wunderwerke, wie sie auch das Teutsche, aber diesmal weitläuftiger, erzählt.1 [218]
Man sieht aus allem Beygebrachten, wie ein Wesen und eine Seele innewohnt dem Gedichte in einer und der andern Sprache; wie aber dies Wesen in der freien Bearbeitung vielleicht dem Charakter der beiden Nationen sich gefügt, und daher bei den Franzosen zusammenhängender, correcter, mehr gerundet, und in redseliger Begeisterung gebohren, aber dafür in etwas monoton, und geschwätzig conversirend erscheint, während es im Teutschen minder gelenk und gefügig geworden ist, derber und in der Form mehr ungeschickt; dafür aber was es im Allgemeinen eingebüßt, im Besondern wieder gewonnen hat, durch die geniale, kecke Ungebundenheit, die die Kunst mit festem Arm erfaßt, und sicher und geübt das Rechte immerfort ergreift. Beiden hat ein älteres Gedicht zum Grund gelegen, aus dem sie geschöpft, und daß in ihnen sich eben so in zwei verschiedne Richtungen entschied, wie die beiden Nationen, die in Carl verbunden waren, sich in der Folge der Zeiten geschieden haben. Man giebt gewöhnlich den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts als den Zeitpunkt an, in dem die Heymonskinder gedichtet worden seyen; indessen mögte ihre Entstehung wohl in einer noch entferntern Zeit gesucht werden müssen. Betrachtet man nämlich die verschiednen romantischen Dichtungen, die innerhalb dem Kreise der Heldengenossenschaft und um ihren Mittelpunkt, Carl den Großen, sich bewegen, dann sieht man sie durch eine bestimmte Gränze geschieden, um die sie nach entgegengesetzten Richtungen auch einen entgegengesetzten Character tragen. In der Heiligsprechung Carls findet jene sondernde Gränze sich gegeben. Vor dieser Periode nämlich mußte der große Mann mit seinen Zeitgenossen einer verwandten, rein heroischen Zeit auch allein als Heros, als tapferer, kriegerischer Regent erscheinen. Sobald mehrere Jahrhunderte über ihre Thaten sich hergegossen, sobald eine dämmernde Ferne sie umhüllt, da trat jene Erscheinung ein, die man am Meeres-Ufer bemerkt, und Mirage nennt; wie die fernen Berge, losgerissen von der Erde, auf dem Dufte schwebende Luftbilder hängen, so wurden diese Thaten gleichfalls in die Höhen der Poesie hinaufgespiegelt, und ein an sich schon romantisches Leben, wurde vollends zum Heldenromane ausgedichtet. So mußten daher diese ersten Gedichte durchaus einen profanen Character tragen; die Geschichte war zur Fabel geworden, aber die Fabel galt auch als Geschichte, und weilte daher durchaus im Kreise des Individuellen und Menschlichen. Anderst hingegen in der spätern Zeit. Gegen das Ende des eilften Jahrhunderts war im westlichen Europa die Geschichte reif geworden; die Religion, die tief und stark in dem Einzelnen wohnte, erhob sich auch im Ganzen, und gewann ein großes äußeres Weltverhältniß; es erwachte ein enthusiastisch religiöser Geist in allen Völkern, und er trat auch aussenhin[219] kämpfend dem Heydenthum entgegen. So begannen um dieselbe Periode die Kreuzzüge. Die Kämpfenden wollten für ihren Enthusiasm eine Mythe haben, die neue Zeit eine eigne Aera, die Aera einen Anfangspunkt, und der religiöse Heroism einen religiösen Helden, und sie fanden ihn in Carl dem Großen, der früher schon den Kampf bestanden hatte, und den die Kirche zu ihrem Schützer sich gewählt. Turpin hatte in seiner Historia de vita Caroli magni et Rolandi, von der man allgemein glaubt, daß sie um 1095 geschrieben worden sey, durch die Poesie der Apotheose eingeleitet, und die Kirche bestätigte sie, indem sie den alten Vogt von Rom durch Pabst Hadrian um das in Jahr 1166 unter die Heiligen aufnahm. Nun mußte die Dichtung, insofern auch in sie Carl als christlicher Heros eindrang und fortlebte, nothwendig einen andern Character annehmen. War er vorher ein Gegenstand, den man mit profaner Unbefangenheit behandelte, dem man allenfalls wohl auch die Rolle eines untergeordneten Gegensatzes anvertrauen konnte, so mußte er hingegen jetzt als der große Held des Glaubens durchaus groß, heilig und ehrwürdig erscheinen; er hatte aufgehört ein Gegenstand der Discussion zu seyn, die Kirche hatte ihn allem Menschlichen entrückt, und seine Geschichte war mit ihm ins Wunderland übergegangen. Jener ersten Periode nun gehören die Heymonskinder an, Carl ist hier durchaus untergeordnete Person; stark durch seine Macht als Individualität aber immer gegen den Helden in den Hintergrund gestellt; häufig in seiner Unbehülflichkeit ein Gegenstand des Witzes; von dem Zauberer oft genarrt; wie jeder andere unheilige Mensch der Macht der Schwarzkunst untergeben, und von ihr endlich gänzlich bemeistert und zum Gefangenen der Brüder gemacht. In seinem Verhältniß zur Umgebung aber bricht durchhin eine aristokratische Opposition hervor, die sogar gewissermaßen zur Rationellen in der ganzen Anlage des Gedichtes geworden zu seyn scheint, das gar nicht seinen Ruhm und seine Ehre zum Ziele hat, weil er beinahe überall den Kürzern zieht, und wie bei Virgil der Accent nicht auf den Griechen sondern auf den Trojanern liegt.2 Anderst hingegen in den Gedichten, die auf jene Apotheose folgen; z.B. dem Strickäre oder dem Puech von Chunich Carl und von Rulant gemacht, wie sie diu Heidenschaft übernommen,[220] und in dem Fragmente über den Krieg Carls des Großen gegen die Sarazenen, das Schilter in seinem Thesaurus mitgetheilt, die aus dem dreyzehnten Jahrhunderte sind, und von denen man das Letzte dem Wolfram von Eschenbach zugeschrieben. Hier erscheint Carl durchaus als Heiliger; als von Gott gesendet, das Heidenthum auszurotten; als der Prophet der neuen Zeit, den der Himmel dem falschen Mahomet entgegen gesetzt, und den er mit Wunderzeichen in seiner Sendung unterstützt.
Das wir ewiglich müssen sehen,
Wie sante Charl sey geschehen.
So endet das Gedicht. Als Mensch aber tritt er durchaus groß auf, und königlich, und in seinem tiefen Schmerz um Rolands Tod noch erhaben und ehrwürdig. Die zwölf Genossen um ihn her aber sind die Apostel, die der Himmel ihm zugesellt, eine Heldenjüngerschaft, die mit dem Schwerdte das Evangelium gegen die Ungläubigen verkündigen; der falsche Ganelon, der in dem ältern Gedichte nur als tückisch, bösartiger Mensch erscheint, wird hier zum Verräther Judas, der die Religion und ihre Vertheidiger um die Silberlinge verkauft. Dabey ist aller Trotz und alle Persönlichkeit der Kämpfer aufgegangen in die hohe Idee, die sie beseelt. Alle sind ein Wille nur, und ein Arm und des Armes Haupt ist denn der König, in Ihnen aber lebt des Himmels Kraft, und was sie vermögen kömmt ihnen von oben herab, und alle ihre Thaten sind Wunderwerke, und sie wissen, daß Gott in ihnen wirkt,[221] und daß sie ohne ihn ohnmächtig sind und ihre Stärke nichtig ist.3 So wird daher das eigentliche Heldengedicht hier durchaus mythisch, es reißt sich von der Erde los, und schwebt einer glänzenden Himmelserscheinung gleich in Lüften. So würden daher die Heymonskinder dieser Ansicht gemäß durchaus in jene erste frühere Periode fallen, und dafür scheint auch ihr ganzes massives, rauhes, strenges und schlichtes Wesen zu sprechen: das Gedicht in seiner modernen Zerstörung steht wie eine alte, verwitterte Mauer da, von Epheu überwachsen, gerade in den stärksten Parthien allein der Zerstörung der Zeit entgangen. Was aber die Sprache jenes Gedichtes betrifft, so wird, da die in französische oder romantische Sprache vor der Hälfte des zwölften Jahrhunderts nicht in die Poesie eingedrungen ist, allein die Lateinische oder die Teutsche übrig bleiben, in denen, vorzüglich in der ersten, die Poesie um diese Zeit am häufigsten sich offenbarte. Manches würde allerdings für das Teutsche sprechen, so z.B. daß Reinolds gutes Schwerd Flammberg im französischen[222] Volksbuch heißt; ferner die Namen der Brüder selbst, die durch aus teutschen Ursprungs sind, bis auf Writsart, oder Wischart der Schnelle, der im Französischen zum Guichard geworden ist – cui propter sensus agiles, animique vigorem, cognomen guiscardus erat – und noch Manches sonst, wenn nicht andere Namen im teutschen Buche wieder eben so auf einen lateinischen Ursprung deuteten, z.B. Montalban, Malagys, und nicht eben jene früher angedeutete Opposition auch einen französischen Ursprung mehr als wahrscheinlich machte. Auf jeden Fall ist das ursprüngliche Werk wohl untergegangen, und was davon bis auf uns gekommen ist, mögte etwa im Ganzen in demselben Verhältniß zu ihm stehen, in dem das gegenwärtige Heldenbuch zu den alten Büchern steht, aus denen es genommen wurde. Alle französische Bearbeitungen des Gedichtes beziehen sich zuletzt auf die Histoire du noble et vaillant chevalier Regnault de Montauban, ou histoire de quatre fils Aymon presentes a Charlemagne Fol. ohne Jahrszahl, dann 1508 in 4, dann Lyon 1573, 1583. 4, woraus denn nach und nach das gegenwärtige Volksbuch geworden ist. Das teutsche Volksbuch hingegen scheint von der alten Uebersetzung ausgegangen zu seyn, die den Titel: Eyn schön lustig Geschicht, wie Keyser Karle der Große, vier Gebrüder Hertzog Aymont von Dordens Sün sechzehn jar lang bekrieget etc. Siemmern 1535 Fol. führt, wenigstens verrathen einzelne Ueberreste der alten Sprache, z.B. einmal Kopf statt Becher im Volksbuch, daß es aus dem altteutschen und nicht von neuem aus dem Französischen übersetzt worden ist. Die Fortsetzung des Gedichtes les Provesses et Vaillances du redoute Mabrian, lequel fut[223] roy de jerusalem, et de l'inde la majour apres la mort du Roy Yuon son pere, fils de Regnaut de Montaban. Semblable les faits et gestes des quatre fils Aymon et de leur cousin maugis. Ensemble la mort et martyre d'iceux. a Troyes chez N. Oudot 1625, auch Paris 1525, ist durchaus neuern Ursprungs. Malagys wird Pabst, ladet Carln nach Rom zur Salbung, und läßt vorher in dem Zimmer, das er bewohnen soll, alle die Streiche mahlen, die er früher ihm gespielt; Carl kömmt mit allen Pairs, und dem Verräther Ganelon, und erstaunt über die Bilder, beichtet dem Pabst seine unversöhnliche Feindschaft gegen Malagys, der ihm nun die Absolution verweigert, wenn er ihm nicht verzeihe; er entdeckt sich ihm dann; Carl, höchst aufgebracht, bietet auf Ganelons Anstiften zur Versöhnung nur auf die Bedingung die Hand, daß er sich in geschmolzen Blei nackend stürzt. Er legt dann das Pabstthum nieder, zieht gegen die Sarazenen, nimmt Neapel ein; es entsteht aber durch Ganelon ein neuer Krieg zwischen Carl und den drei Heymonskindern; Malagys und die Brüder werden endlich von der Uebermacht auf einen Felsen hingetrieben, und am Ende in einer Höhle mit Rauch erstickt. Dann tritt der Orientalism, der im Strickäre nur leicht erst angedeutet war, völlig hervor; die ganze Geschichte Mabrians lößt sich in Feenwesen auf; die Magnetfelsen kehren wieder, an denen die Schiffe scheitern; eben so die Greiffe, das Land des Priester Johannes, Groß- und Kleinindien, die Riesen u.s.w. Am Ende des ersten Theiles steht: Cy fini le premier volume de Mabrian composé par maistre Guy Bouuain lieutnant de Chasteau Roux en Berry, ohne das Jahr der Verfertigung, das wahrscheinlich ins fünfzehnte Jahrhundert fällt. Die Heymonskinder selbst sind übrigens auch in die spanische Sprache übertragen, unter dem Titel: Libro primo del nobile e strenuo cavaliero rinaldo di montalbano. In perpiniano in casa di sanson Arbus, 1585. fol.
1 | Das französische Volksbuch scheint ausgegangen zu seyn aus der Antwerper Ausgabe der Heymonskinder vom Jahre 1561, die 118 Quartblätter stark, aber ohne Titelblatt vor mir liegt. In der Dedication à très-verteux personnage Gerard Hesselt, Marchant en la ville d'Anvers, sagt der Verleger Jean Waesberghe, der also auch der Bearbeiter zu seyn scheint: Mestant tombee entre mains, depuis quelque temps, l'histoire des quatre fils Aymon, discours autant beau et recreatif, pour l'antiquité d'iceluy, qu'autre qui se trouve de pareille estouffe: au reste si corrompue et deprauée, partie par l'injure du temps, partie aussi par la negligence des hommes, qu'il eut fallu un autre Apollo à deviner le sens d'icelle. Ce que voyant, et afin que la memoire de si hauts et heroiques faits et prouêsses, ne se tournast en oubliance, j'ai bien voulie prendre la peine de r'adresser et restituer en son entier l'histoire susdicte, au mieux qu'il m'a este possible, corrigeant plusieurs grosses fautes quant aux sens, muant plusieurs vocables et termes anciens prescritz et aboliz, brief faisant parler ces anciens chevaliers nouveau langage et leur appropriant nouvelle parure, à ce qu'etantz r'encontrez des Dames en cette moderne guise, ils ne soyent tenuz pour etrangers, ainçoys recueilliz et caressez dicelles, et signament de vous etc. – Das Volksbuch trifft meist nun in allen Wendungen der Worte mit diesem überein, oft aber weicht es auch willkührlich von ihm ab, und erlaubt sich Abkürtzungen und Zusätze. Auf eine ähnliche Weiße scheint auch das teutsche Buch von einem solchen alten besonders am Anfange schadhaften Manuscripte ausgegangen zu seyn, und dann durch mancherley Interpolationen und Auslassungen die gegenwärtige Form erlangt zu haben. |
2 | Es ist eine merkwürdige, wohl zu beachtende Erscheinung um diese Opposition. Früher schon haben wir einen ähnlichen Gegensatz des Heldenbuchs gegen die Nibelungen, der Ritter von Beren gegen die Ritter vom Rheine berührt, der wahrscheinlich mit dem Gegensatze der Gothen und Hunnen gegen die germanischen Völker auf irgend eine Weise zusammenhängt: denn bekanntlich war Dieterich von Bern eine Zeitlang Herr von Rom, ein Gothe, und sein Land lag hinter Ungarn und Panonien, während in den Nibelungen Attila und die Hunnen durchaus die untergeordnete Rolle spielen. Unläugbar ist auch hier eine gleiche Reaction angelegt. Schon im Leben erfuhr Carl der Große eine Solche von Seiten der französischen Barone, als er den Gedanken faßte, ein occidentalisches Kaiserthum zu constituiren, in dem Frankreich als untergeordnetes Nebenland erscheinen sollte, und so ist es ihm denn auch in der Dichtung hier geworden. Offenbar spielt die Handlung im Lager der Trojaner, die eben die Franken schon zu Carls Zeiten, wie die Geschichtschreiber der Zeit berichten, als ihre Stammeltern erkannten; das Leben und die Kraft und die Bewegung ist auf Seiten der Heymonskinder, Carl aber gleichsam nur die Schranke, die nothwendige Bedingung um dies Leben hervorzurufen: wie ein Berg steht sein Zorn und sein Eigensinn vor ihnen da, und diesen Berg haben die Brüder abzutragen. Die Hauptmasse des Lichtes liegt überall auf den kämpfenden Heldenjünglingen; der alte Kaiser aber erscheint eben so im Schatten des Hintergrundes, mächtig, stark und groß, aber ungewandt und wenig gelenk, einem Elephanten gleich, der sich mit einem Löwen in Kampf einläßt. Selbst Roland, den die folgenden Dichtungen zu ihrem Helden gewählt, erscheint in zu einem zweideutigen Lichte; der Himmel muß auf Carls Gebet eine Nebelwolke senden, um ihn Reynolds Stärke zu entziehen. Was aber diese ganze Opposition eigentlich begründet habe, mögte schwer auszumitteln seyn; ob schon damals so frühe schon der Gegensatz des französischen Characters mit dem Teutschen hervorgetreten ist; ob es drückend für den gallischen Grundstamm der Nation war, von einem exotischen teutschen Geiste beherrscht zu werden, und er sich nun reagirend in der spätren Zeit gegen dies drückende Gefühl gewaffnet habe durch die Possie, oder was sonst die nächste Veranlassung war: auf jeden Fall ist die Erscheinung nicht leicht zufällig und ohne tiefern Grund. Uebrigens giebt der opponirende Geist sich sehr bescheiden zu erkennen, überall werden die Lehenspflichten, selbst in der Hitze des Kampfes, geehrt; der eigne Vater streitet deswegen, seinem Schwur getreu, gegen die Söhne; Carls Befehl hemmt einmal plötzlich das Gefecht, und am Ende geht er immer gewissermaßen siegreich aus dem Kampfe, indem zu seiner Genugthuung das Roß ihm übergeben wird, und sein Gegner das Land verläßt. |
3 | Man hat auch diesem Gedichte, wie so vielen Andern aus der alten Zeit, weniger Aufmerksamkeit zugewendet, als es verdient. Es ist nicht zu läugnen, daß die reine Nacktheit der Umrisse auch hier häufig unter dem Ueberflusse eines oft steifen Gewandes sich versteckt; daß wir statt der schönen Formen scharf gebrochne Falten sehen: allein es hat auch unläugbar etwas Großes in der ganzen Anlage, und viele Schönheiten in der Ausführung. Es ist dabei ganz unläugbar, daß es den Nibelungen nachgebildet ist. Die ganze Fortschreitung der Handlung, wie die Christen mit den Sarazenen im Thale Runzefal kämpfen, wie diese immer neue Haufen senden, Hunderttausende nach Hunderttausenden; wie die Christen sie Alle niedermachen, und Marsilie die Gebliebenen mit neuen Haufen immerfort verstärkt; wie daher die Christen nach und nach zusammenschmelzen, bis endlich nur noch sechzig übrig sind, die nun, nachdem neue Heidenhaufen andrängen, endlich Alle bis auf den Bischoff Turpin und Roland bleiben, und wie dann, nachdem die Heiden flohen, Roland dem Bischoff die Riemen entband, »und hueb ihm den Helm abe, da gewann er großer Ungehabe, Im viel das haubt von einander, alrest do bevand er, daß er zu tode was erslagen«, und wie nun endlich auch Roland aus Erschöpfung stirbt, – Alles das erinnert unverkennbar an Chriemhildens Rache und das Blutbad in Etzels Pallast. Die folgende Szene, wie die Todten betrauert und begraben werden; die Ausbrüche des Schmerzes in Carl, um Rolands Tod; wie er Boten an seine Gattinn sendet, die ihr aber den Tod Rolands verbergen sollen, weil er sie an Kindesstatt annehmen will, – Alles das steht in eben solchen Beziehungen der Aehnlichkeit und Analogie zur Klage. Der neuere Ursprung des Gedichtes aber, wenn er sonst noch irgend zweifelhaft wäre, würde aus dem Eindringen der Ideen aus dem Alexander und den orientalischen Sagen in dasselbe unmittelbar sich erweisen lassen. Unter den Heidenkönigen, die dem Marsilies zur Hülfe kommen, ist auch: Der Chunig von Funde Die muessen als Hunde Die Erden alles ansehen, In stat das hiren an der Brust. Weiterhin: Ein Chunich chom auch ins lant, Der was Czernoles genannt, Das leut in seinem reiche, Die lebent so vreuelleiche, Das ir Gott nit enruhet, Er hat die sunnen da verfluhet, Das si in ihr lant nie geschein, Noch aus ir erde nie bechelein, Weder chorn noch weinreben, Desn will in Got do niht geben, Holtz Erde und staine, Ist da swartz as gemaine, Do ist niht den holtz und mos, Si essent niht wen di Ros, Und lebent mit unsinne, Da wonet der tevvel inne. Offenbar dieselbe Schilderung, die die spätern Berichte von der nördlichen Tartarey und den Tartarn uns geben. Einmal auch ist Alexander selbst citirt: Lebt der wunderleich Alexander, wolt er darnieder dringen, er mecht leicht übel gedingen. |
Buchempfehlung
Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro