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[192] Des löblichen Handwerks der Kürschner Ursprung, Alterthum und Ehrenlob. Dann gründliche Beschreibung alles desjenigen, was bei dem Aufdingen, Lossprechen und Meisterwerden nach ihren Artikulsbriefen von langer Zeit her, bei ihren Zünften in Acht genommen wird, wie auch die Examinirung bei den Gesellen machen, auf das treulichste vorgestellet von Jacob Wahrmund. Zuvor niemals also gedruckt.


»Der Kürschner und Fellenbereiter hat sich sonderbar seines ehrlöblichen Handwerks zu rühmen und zu erfreuen, als eines solchen Standes, welcher billig der allerälteste, ja von Anfang der Welt her sich zählet, auch von Gott selbst eingesetzt und angefangen ist, dergleichen Ehre wenig andere, außer dem Schneider, Metzger oder Fleischhacker sonsten sich zumessen können gehabt zu haben. Dann sobalden wir nur die heil. Schrift eröffnen und aufschlagen, findet sich gleich von Anfang das löbl. Kürschnerwerk aus selbiger wie ein heller Diamant hervorleuchtend, nämlich in dem dritten Capitel des Buchs der Schöpfung, da unsere erste Stammeltern, Adam und Eva, durch den leidigen Sündenfall in dem Paradiese aus dem Stand der Unschuld getreten, und von Gott abgewichen waren, da stehet in dem Text: und Gott der Herr machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen, und zog sie ihnen an, als zu lesen im 21ten Versicul ged. Cap. Also hat dann der unendlich Gott und Herr aller Herren das löbliche Kürschner-Handwerk allhier gleichsam geweihet und eingesetzt, daß er den ersten Meister abgabe, und Kürschner-Arbeit gemacht, so Röcke von Fellen waren. O welch eine Ehre und sondere Gnade Gottes ist doch das diesem löblichen Handwerk, daß es sich so eines schönen und berühmten Mitmeisters und ältesten Vorgehers von ihrer Zunft, nämlich des großen und unendlichen Gottes, ja des Schöpfers aller Welten selbsten billig mit Wahrheitsgrund zu rühmen hat und vermag.« Von diesem Fundamente aus wird dann das Handwerk durch die ganze profane und heilige Geschichte verfolgt, und dabey angeführt, daß Conradus Pellicanus, Conrad Gesner, der deutsche Plinius, Theodor Zwinger, Kürschnerssöhne[192] gewesen seyen. Nun folgen übliche Redensarten und Cerimonien bei Zusammenkünften mit Lehrjungen, Gesellen und Meistern, beim Aufdingen und Lossprechen: die Lade, zwei Meister, Beisitzer, die Umschauer u.s.w. Der Lehrjunge muß aus einem reinen und keuschen Ehebett gebohren seyn. Verfertigung des Meisterstücks, Formeln eines Lehrbriefs. Am Schluß der Kürschner Loblied.

So sind ähnliche Schriften auch bei den andern Gewerken im Umlauf, die wir hier nicht anführen dürfen, weil in allen im Ganzen dieselbe Form, derselbe Geist und Gedankengang herrscht. Ein Geist der Zucht und ernsten Strenge, des gemeinschaftlichen Zusammenhaltens, der steifen aber durchaus rechtlichen Ehrbarkeit; dabei ein kleiner Anflug von Enthusiasm in dem durchaus speciellen familienartigen Patrotism der Glieder in der Gilde, ist der von älteren Zeiten auf diese Körperschaften vererbte Geist, der freilich mit den andern Geistern allen weggegangen ist, um dem Geistlosen Raum zu machen.

Quelle:
Joseph Görres: Die teutschen Volksbücher, in: Joseph Görres, Gesammelte Schriften, Band 3: Geistesgeschichtliche und literarische Schriften I (1803–1808). Köln 1926, S. 192-193.
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