[185] Halle des Pallastes.
Nikator und Esla.
NIKATOR.
Hinweg von dort! noch tönt in meinem Ohren
Der Menge widrig Triumphgeschrei.
Der Sieg ist längst gesiegt, verlöschet jene Flamme,
Die mich zu kühnen Thaten mächtig trug.
Es ekelt mir den Thyrsus tobend schwingen,
Wenn man nicht voll des Rebengottes ist.
ESLA.
So willst Du Deinen Sieg nicht feiern helfen?
Den Dank nicht nehmen, den man gern Dir giebt?
NIKATOR.
Was ist der Dank und was die Siegesfeier?
Mein Herz ist müd', und taugt zum Jauchzen nicht.
ESLA.
Dein Geist ist wunderlich und schwer zu fassen,
Du wirbst um Ruhm, um dann ihn zu verschmähn.[185]
NIKATOR.
Das ist, Du weist's, stets mein Geschick gewesen,
Des Wahren Einsicht kommt mir oft zu spät.
Ein tiefes Sehnen ist in meinem Herzen,
Das hungrig stets nach neuem Raube hascht;
Ich geb' ihm hin des Lebens schönste Blumen,
Er frißt sie auf, und fragt nach neuem Raub. –
Ich stürzte mich in dieses Kriegsgedränge
Und blutig endigt' ich den blut'gen Zwist.
Des Königs Bruder fiel in meine Hände,
Er unterwarf sich meinem Siegerschwert,
Und seine Tochter, frevelhaftes Siegen!
Das sie zu ihres Oheims Sklavin macht,
Mir zur Gefangnen giebt, und mich zum Sklaven
Auf ewig ihrer süßen Schönheit macht.
Der Vater rächt sich in der Tochter Blicke,
Und meine Siege endigt alle sie.
Ja, die Gefangene hat mich gefangen,
Die Überwundene hat mich besiegt.
ESLA.
Und sie verschmähet Deiner Liebe Werben?
Sprich: nein, schon sagt Dein lächelnd Auge nein.
NIKATOR.
Ihr Blick begegnet freundlich meinem Blicke.
Wenn kühn, doch zaghaft, er Erhörung sucht,
Dann senkt sie wieder blöd' das helle Auge,
Als flieh es meiner Sehnsucht heiße Gluth,[186]
Und berge sich in dunkler Wimpern Schatten,
Und kühle sich im eignen Perlenthau,
Dann hebt sich's wieder aus dem feuchten Spiegel,
Wie sich der Mond kühl aus dem Meer' erhebt.
ESLA.
So hoff' auf sie, vertraue ihrem Herzen,
Auf Deine Macht stütz' Dich bei unserm Herrn.
König, Königin, Gefolge, die Vorigen.
KÖNIG.
Nikator! Dir sei Dank, denn Du hast mir erhalten
Die Krone, die ich lange sorgend trug.
Und Sorge macht auch Könige zu Sklaven,
Ein König ist, wer keine Sorge kennt.
KÖNIGIN.
Nikator flieht den Dank, will er die Schuld vermehren
Und soll vor ihm beschämt sein König stehn?
Dich nennt der Ruhm, und es gesellt Dein Name
Sich allen großen Namen herrlich zu.
So lohnt die Welt; die Nachwelt, die Geschichte,
Flicht ew'ge Kränze um Nikators Stirn.
Sein König nur weiß nicht ihn zu belohnen,
Denn groß, ja allzudrückend ist die Schuld;
D'rum sollte er aus wahrer Großmuth nehmen
Und fodern, wo man blöd' nicht bitten darf.[187]
NIKATOR.
O Königin! es kann kein Andrer wissen,
Wie wenig meine That verdienstlich ist. –
Ein rascher Wunsch treibt mich ins Kriegsgetümmel,
Das launenhafte Glück zeigt sich mir hold,
Der Zufall will sich mir gewogen stellen,
Und ich weiß selber nicht, wie mir geschieht;
Von Schlacht zu Schlachten werd' ich fortgezogen,
Zum Tapferseyn zwingt die Nothwendigkeit;
Das Schicksal treibt mich fort in seinen Kreisen
Und ihm befehlend dien' ich ihm als Knecht.
Wir möchten gern uns Herrn des Zufalls stellen,
Doch er gewinnt und er verliert die Schlacht.
Der Steuermann beherrschet nicht die Woge,
Sie reißt ihn fort in ihrem wilden Drang.
KÖNIGIN.
Dem Helden mag bescheid'ne Sitte ziemen,
Doch unsere Freude stören soll er nicht;
Von seiner Höhe nicht das Hohe reißen,
Damit es das gemeine Auge schaut.
KÖNIG.
's ist Uebermuth, das unbedeutend nennen,
Vor dem wir alle mit Verwundrung stehn;
Was wir gesehn, soll fast gering noch scheinen,
Verglichen mit der höhern Trefflichkeit,
Die er sich fühlt in seinem stolzen Herzen,
Und die er über unsern Beifall hebt.[188]
NIKATOR.
Mein königlicher Herr! Du mißverstehest,
Gerecht nur wollt' ich gönnen meinem Glück
Des Ruhmes Antheil, der ihm angehöret.
Adonia, Vorige.
ADONIA.
Vergieb, mein großer, königlicher Herr!
Vergieb der Flehenden die kühne Bitte,
Die heute sie zu Deinen Füßen führt.
Zwar sollt' ich heut versteckt und einsam weinen.
Und trauern über meines Hauses Fall;
Mich jedem Aug' entziehen an dem Tage,
Da Ihr mein Unglück feiert, Euern Sieg;
Doch treibt mich Sorge aus der stillen Kammer,
Für meinen Vater knie ich jetzt vor Dir:
Sechs Monde sind's, daß wir gefangen leben,
Und unentschieden noch ist sein Geschick.
Erbarme Dich, Herr! laß ihn Gnade finden,
Gieb Freiheit ihm, versichr' ihm Dein Verzeihn.
KÖNIG.
Steh' auf, Adonia! geliebte Nichte,
Du bittest nicht bei Deinem Oheim fehl,
Vergessen hatt' ich Deines Vaters Hassen,
Als ich Dein lieblich mildes Auge sah;
Mich freut der Sieg, weil er Dich mir gegeben,
Und klagen möcht' ich, daß er Dich geschmerzt.[189]
ADONIA.
Mein theurer Oheim, sprecht das Wort der Gnade,
Das meinen Vater rettet, sprecht es aus.
KÖNIG.
Ihm sei verziehn, und alle Siegesfrüchte,
Ich gebe gern und willig sie zurück;
Ein Kleinod nur muß er an mich verlieren,
Ein Kleinod, mehr als alle Kronen werth.
Adonia bleibt, er hat sie mir gegeben,
Ja, seine holde Tochter ist nun mein.
KÖNIGIN.
Und mir verbarg der König diese Freude?
Er theilet sparsam seiner Gattin zu.
KÖNIG.
Nur die gewisse Gabe wollt' ich theilen,
Und nicht der Hoffnung leicht entflohnen Schein. –
Man bringe sie zum königlichen Hause,
Und morgen schon mit königlicher Pracht,
Was schön und köstlich ist, soll sie umgeben,
Daß äußrer Glanz sich ihrem Reiz gesellt.
Nach meinem Weib', die nächste meinem Throne
Und meine Erbin, sei Adonia.
ADONIA.
O König! Herr, doch nein, ich muß verstummen,
Mein zaghaft Herz traut noch dem Glücke nicht.[190]
KÖNIG.
Nikator! bring sie morgen meinem Weibe,
Und schließ den Frieden, wie ich Dir gebot. –
Du schweigst! Du senkest trüb die Augen nieder;
Was ist es doch, das Dir so sehr mißfällt?
NIKATOR.
Ich zage über meiner Seele Wünsche,
Die hoch sich über mein Geschick gestellt,
Adonia! ich hob zu Dir das Auge,
Zu jeglicher Vortrefflichkeit zugleich.
Und all mein Leben glich dem gier'gen Pfeile,
Der durch die weite Welt sein Ziel nur sucht.
Doch Du, o König! hast zu weit entrücket
Des Pfeiles Ziel, er sinkt zum Staub zurück;
Sein Leben hat er, und sein Ziel verloren,
Und Thorheit wird, was groß und muthig war.
KÖNIG.
Ein Kluger sendet Pfeile, welche treffen,
Nur Knaben schicken sie den Wolken nach.
NIKATOR.
So hast Du jetzt mein Urtheil ausgesprochen,
Für mich verarmt ist alle Herrlichkeit.
Vom Ganges an bis zum beeis'ten Pole
Reizt nichts des kranken Herzens Wünsche mehr.
Umsonst ruft mich zum Kampf die Kriegstrommete,
Ein neu Geschlecht drängt in die Schranken sich,
Und neue Namen glänzen und vergehen.[191]
Die Weltgeschichte geht den ernsten Schritt,
Ich greife nicht in ihres Rades Speichen,
Und meine Thaten dring' ich ihr nicht auf.
KÖNIG.
Besinne Dich, kann wol die Königstochter,
Der Krone Erbin, Deine Gattin seyn?
Des Mannes Tochter, den Du überwunden,
In niedere Fesseln ihn, den Herrscher, schlugst?
Besinne Dich, Du mußt es selber sehen,
Die Sitte: ja; und das Gesetz, spricht: nein.
Sie an Adonien, wie sie erröthet,
Ein widerig Gefühl färbt ihr Gesicht;
Sie weiß verständig wohl, was ihr gebühret,
Doch Deine Rede jetzt hat sie beschämt.
Er winkt, die Königin entfernt sich mit Adonia.
NIKATOR.
Fluchwürd'ger Irrthum, einem König dienen,
Die Krone macht dem Undank stets vertraut.
KÖNIG.
Du thatest Deine Pflicht, ich bin zufrieden,
Und lohnen werd' ich nach Gelegenheit.
NIKATOR.
Gieb mir Dein Reich, und gieb mir Asiens Schätze,
Der Meere Herrschaft, ich verschmähe sie.
Ab.
[192]
KÖNIG.
O unerträglich, widrig, freches Trotzen!
Ein Unterthan spricht so zu seinem Herrn?
Muß ich des Zornes wilden Ausbruch dulden?
Erschrecken, wenn ein Sklav den Boden stampft?
ESLA.
O dulde seines Schmerzes kühne Sprache,
Entbehren kannst Du doch den Tapfern nicht.
KÖNIG.
Entbehren nicht? Wer machte Dich das glauben?
Ich stoß' ihn weg, und büßt' ich's mit dem Tod.
Ich duld' ihn nicht, hätt' er auch alle Reiche
Der Erde unterworfen meinem Schwert. –
Adonia, die holde Himmelsblume,
Die sollte werden des Soldaten Gold?
Dem Knechte, den ich heben kann und stürzen,
Dem Taggeschöpfe meiner Königshuld,
Dem sollte sie der Liebe Wonne schenken,
Und mit ihm theilen sein armselig Loos?
O Raserei! du bringst mich fast zum Rasen,
Ja der Gedanke wühlt in meinem Hirn;
Ich sollte sie, die Herrliche, vermählen
Dem frechen Staub, der ihre Sohlen küßt?
Ich würde sie dem Donnergott mißgönnen,
Erniedrigt glauben in Herakles Arm.
Ich wag' es nicht, die Hand ihr zu berühren,
Ich bebe, streift mich ihres Kleides Saum.[193]
Und dieser denkt und hofft sie zu besitzen?
Nur der Gedanke schon verdient den Tod;
Denn, ihn gedacht zu haben, ist ein Leben,
Ein glänzend schönes, frohes Leben werth.
ESLA.
Mein königlicher Herr! was soll ich sagen?
Sie scheinet über alles Maaß Dir werth.
KÖNIG.
Wer fürchtet, mag die inn're Neigung bergen,
Die Macht erhebt mich über jede Furcht;
Du magst es laut auf allen Straßen rufen,
Daß ich sie liebe ohne Maaß und Ziel.
Wer darf in mir des Herzens Wünsche richten?
Hoch steh' ich über Tadel, oder Lob,
Und mich berührt der Meinung bunt Gedränge
So wenig, als des Aethers leichte Luft.
ESLA.
Vergieb, daß ich der Königin gedenke;
Ich fühle wol, ich wag' ein kühnes Wort.
KÖNIG.
Sie ist mein eigen, was mir angehöret,
Das reiß' ich fort in meiner eignen Bahn;
Ich spende Glück und Gunst nach Wohlgefallen,
Denn mein Geschöpf ist alles um mich her.
ESLA.
So willst Du nicht der Mäß'gung Stimme hören?[194]
KÖNIG.
Ich will Gehorsam sehn im ganzen Sinn;
D'rum geh' und sag' dem Feldherrn meinen Willen,
Ausliefern soll er die Prinzessin mir,
Und zwar an diesem Tag' noch, diese Stunde;
Mich ängstet jeder kleine Augenblick,
Den sie in des Verweg'nen Hand verlebet,
Er gebe sie und bräch' sein stolzes Herz.
Ab.
ESLA.
Schweig' ich dem Freund? zeig' ich ihm die Gefahren,
Die drohend über seinem Scheitel stehn?
Nein, meinen König darf ich nicht verrathen,
Und nicht den Freund, mein Handeln bleibe rein. –
Nikator kommt.
Es läßt, Nikator, Dir Dein König wissen,
Daß heut' er die Prinzessin noch verlangt,
In dieser Stunde noch will er sie haben;
Unwiderruflich fest ist sein Befehl.
NIKATOR.
Unwiderruflich! wenn es mir beliebet.
Geb' ich sie nicht, was bleibt ihm dann zu thun?
ESLA.
Es bleibt kein Vorwand, den Du nehmen könntest,
Da er mit solchem Ernste d'rauf besteht.[195]
NIKATOR.
Ist es nicht Laune, daß er jetzt sie fodert?
Vor einer Stunde wollt' er anders noch.
Nun, Laune mag bei ihm für Laune gelten,
Ist seine mehr, ist meine minder werth?
ESLA.
Du wirst ihn diesmal unbeweglich finden,
Mich selbst erschrecket seine Festigkeit.
NIKATOR.
Ist er der Fels? Wohlan! ich bin die Welle,
Die brandend sich an seiner Stärke reibt;
Schwer soll ihm diesmal seine Dauer werden,
Denn ich bin fest, wie die Nothwendigkeit.
D'rum sag' ihm, daß ich die Prinzessin bringe,
Doch morgen erst, wie er zuvor gebot.
Und zürnt er mir ob diesem meinem Gruße,
So laß' ihn; er versuche seine Macht.
Er wird sich hüten, fürchten vor dem Heere,
Das seinem Feldherrn mehr als ihm gehorcht.
Buchempfehlung
Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.
76 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro