Zweiter Akt


[196] Ein Garten.

Adonia allein.


ADONIA.

Die Mitternacht sinkt endlich still hernieder,

Und das Gewühl des öden Tags zerrinnt;

Sein bunt Geräusch, sein leeres, kaltes Treiben

Begräbt in heil'ge Stummheit Mitternacht.

O Mitternacht! birg mich in deinem Schooße,

Laß mich genesen von des Lebens Müh';

Laß schlummern mich in deinen Sternenarmen,

Und Träume träumen, die der Tag verscheucht.

Der Mond sieht lächelnd durch die Myrthenzweige,

Er regt des Herzens tiefes Sehnen auf.

Der Abendwind spielt leis' um meine Lippen,

Als frag' er mich um meinen stillen Gram.

Doch, Mond und Luft, ich darf ihn euch nicht nennen,

Verschwiegene Lippen, sprechet ihn nicht aus.


Nikator kommt.


NIKATOR.

Wär' ich der Mond, ich weinte Strahlen nieder;

Wär' ich die Luft, ich seufzte durch die Nacht,[197]

Bis die verschwieg'nen Lippen ich beweget,

Zu öffnen mir ihr stilles Heiligthum.

ADONIA.

Nikator, Du! in dieser Abendstunde,

Was wagest Du, für Dich und auch für mich?

NIKATOR.

Ich wage, ja! aus dieser Abendstunde

Soll dämmern mir des Lebens Morgenroth.

Der Liebe Tag will ich der Nacht entreißen,

Wo nicht, in ihrem Schatten untergehn. –

Du kennst mein Herz, ich hab' es laut verkündet

Vor aller Welt, bei Dir nur kann ich's nicht.

In Deinem Schauen ist das Wort gefangen,

In Deiner Schönheit ist das Aug' verirrt.

Und all mein Leben hat sich mir entwendet,

Und flieht verrätherisch zu Dir, zu Dir.

Wenn Du nicht Großmuth übest, muß ich sterben,

Wenn Du nicht Leben giebst, muß ich vergehn.

ADONIA.

Nikator! ja, Dich liebet meine Seele,

Seit jenem Tag, da ich zuerst Dich sah.

Das Diadem entwand'st Du meinem Haupte,

Und meinem Busen raubtest Du das Herz.

Der Purpur fiel herab von meinen Schultern,

Der Hoheit Glanz zerrann, wie Morgenthau;

Da badet' ich die Brust in Lieblingsträumen,

Und unverwundbar ward sie dem Geschick.[198]

Ich stieg vom Thron' und hab' es nicht empfunden;

Denn in dem Schauen war der Sinn entrückt.

So liebt' ich Dich, so wird es ewig bleiben,

Denn ich bin ewig meine Liebe selbst.

Eh' wird das Licht sich von der Sonne scheiden,

Eh' meine Liebe meinen Geist verläßt.

NIKATOR.

Nun, Augen, saugt den Taumeltrank der Reize!

Trinkt, Lippen, ihres Mundes Süßigkeit.

ADONIA.

O möcht' ich doch in diesem Kuß vergehn,

Wie in dem Meer das Abendroth verglüht!


Esla kommt.


ESLA.

Der König kommt, er fodert seine Nichte,

Gieb sie zurück, es foderts Deine Pflicht.

NIKATOR.

Nein, sie ist mein, sie hat sich mir gegeben,

In meinem Arm ist Schutz und Heil für sie.

ESLA.

Du kannst mit guter Art sie nicht verweigern,

Was Du auch sagst; Empörung scheint's der Welt.

NIKATOR.

Ich scheu' nicht der Empörung freche Stirne,

Wenn sie der Lohn für den Empörer ist.[199]

ESLA.

Gedenk' an Pflicht, gedenk' an Eid und Treue,

Ja! an der Götter Rache denke auch.

NIKATOR.

Ich habe nichts, und gar nichts zu bedenken,

Als meines Busens heiliges Gebot.

Eh' mag ich Königen die Treue brechen,

Als der Natur, die mir im Herzen spricht.

Wer sie verräth, um eines Königs willen,

Um Ehre, Ruhm und falscher Pflicht Gebot,

Der ist nicht werth, daß sie ihm je gesprochen,

Er ist ein Sklave, der sich selbst verliert.

ESLA.

Giebst Du nicht nach, wie soll sich's dann entscheiden?

Willst Du des Bürgerkrieges Stifter seyn?

NIKATOR.

Es mag die Macht sich gegen Macht empören;

Ich bin gezwungen, wie's auch scheinen mag.

ADONIA.

Nicht also; nein, so darf sich's nicht entscheiden.

Die Liebe siege, nicht die blut'ge Macht.

Ich dulde nicht, daß Du mich so behauptest,

Denn hassenswerth soll unser Bund nicht seyn.

Ich geh' zum König, was das Schicksal sinne;

Ich bleibe Dein, vertraue meinem Muth[200]

Und meiner Liebe; viele sind's der Pfade,

Die alle führen zum gewissen Ziel,

Und einen find' ich. Rede jetzt zum König,

Und bring' ihm klüglich unsrer Herzen Bund.


Sie geht ab.


ESLA.

Ja, zeig' dem König jene kalte Ruhe,

Die in Gefahr ich oft an Dir gesehn.


Der König mit Gefolge.


NIKATOR.

Mein König! eben ist die Wache aufgebrochen,

Die die Prinzessin zu Dir führen soll.

Denn wohl erwogen, war die Zeit verschwendet,

Die ich mit Weigern gegen Dich verlor.

Denn, ob ich heut' sie, oder morgen bringe,

Ist dies ein Gegenstand des Streites wol?

Des ernsten Streites zwischen ernsten Männern?

Ich gehe jetzt, mein König! und sogleich

Wird die Prinzessin im Pallast erscheinen.


Ab.


KÖNIG.

Ist dieses ruhige Entsagen Spott?

Und gegen wen wend' ich des Zornes Waffe?

Beim' Himmel! ganz betroffen steh' ich hier.


Adonia kommt mit Gefolge, das sich zurückzieht, wie auch Esla.


KÖNIG.

So hab' ich endlich Dich, Geliebte! Holde!

Wie ungleich theilet Sehnsucht doch die Zeit;[201]

Bist Du bei mir, so fliehen schnell die Stunden,

Und bist Du fern, so sind sie lahm und müd.

Du staunest? Du begreifst nicht mein Empfinden?

Dein Herz kennt noch der Liebe Wallung nicht.

ADONIA.

Ich weiß, mein Oheim, daß mit Vaterliebe

Und väterlicher Zärtlichkeit Du mein gedacht.

KÖNIG.

Von Vaterliebe borg' ich nicht den Namen,

Mein Lieben gleicht nicht Eltern-Zärtlichkeit.

ADONIA.

So weiß ich keinen Namen, der ihr zieme.

Beliebt Dir nicht, mein Oheim, jetzt zu gehn?

KÖNIG.

Du willst den Namen nicht? Wohl! so vergönne,

Daß ich beschreibe, wie mein Lieben sei:

Es ist ein ew'ger Durst nach Deinen Küssen,

Verzehren möcht' ich Deiner Wangen Roth;

Ich möchte Deines Blutes Purpur trinken,

Und schlürfen Deines Mundes reinen Hauch;

Es ist ein rastlos, zehrendes Verlangen,

Zu drücken Dich an dieses glüh'nde Herz.

Ich hungere nach Dir, ich durst' und rase

Nach Deiner Schönheit seligem Beschau'n.

ADONIA.

Halt' ein, mein Oheim, denn die Unschuld sollte

Nicht sehen der Begierde wilde Gluth![202]

KÖNIG.

Der Rose Gluth darf sich der Lilie nahen,

Die Lilie bleibt doch immer weiß und rein.

ADONIA.

Nein, Lilien färben sich in Rosen Nähe,

Ihr reines Weiß wird glühend schamhaft Roth.

KÖNIG.

Das heilige Feuer nähret die Vestale.

ADONIA.

Das heil'ge Feuer wol, nicht diese Wuth.

KÖNIG.

Und Du wirst mein, ich schwör' es bei dem Gotte,

Der leuchtend über uns die Sonne bringt.

Ja, Du wirst mein, wärst Du in Pluto's Armen,

Ich stieg' hinab, und raubte Dich dem Gott!

ADONIA.

Eh' wird die freche Flamme, die Du nährest,

Hinunterbrennen in die Unterwelt;

Eh' wird Dein Lieben Pluto's Weib besiegen,

Eh' Du Adonien die Deine nennst.

Nimm Eid für Eid. Ihr Götter hört mein Schwören,

Und rettet mich vor seiner Liebe Wuth.

Quelle:
Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 2, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 196-203.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Paoli, Betty

Gedichte

Gedichte

Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.

278 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon