Darthula nach Ossian

Nathos schiffet durch den Strom der Woogen

Ardan, Althos, seine Brüder mit,

Erins König, Caibars Zorn zu meiden

In geheimnißvolle Schatten kleiden

Dunkle Wolken ihren fliehnden Schritt.


Wer? o Nathos! ist an deiner Seite!

Traurig seufzt im Wind ihr braunes Haar

Lieblich ist sie, wie der Geist der Lüfte,

Eingehüllt in leichte Nebeldüfte;

Schön vor allen Collas Tochter war.


Ach Darthula! deine irren Segel

Eilen nicht dem wald'gen Etha zu.

Seine Berge heben nicht die Rücken

Und die Seeumwogten Küsten bücken

Turas Felsen schon dem Meere zu.


Wo verweiltet ihr des Südes Winde?

Schwelltet Nathos weiße Segel nicht?

Trugt ihn nicht zum heimathlichen Strande?

Lange blieb er in dem fremden Lande

Und der Tag der Rückkehr glänzt ihm nicht.


Schön, o König Ethas! warst du in der Fremde;

Wie des Morgens Strahl dein Angesicht.

Deine Locken, gleich dem Raben, düster

Deine Stimme, wie des Schilfs Geflüster

Wenn der Mittagswind sich leise wiegt.


Deine Seele glich der Sonne Scheiden,

Doch im Kampfe warst du fürchterlich.

Brausend wie die ungestümen Woogen

Wenn vom Nord die stürm'schen Winde zogen

Stürztest du auf Caibars Krieger dich.


Auf Selamas grau bemoosten Mauern

Sah dich Collas Tochter, und sie sprach:

Warum eilst du so zum Kampf der Speere!

Zahlreich sind des düstern Caibars Heere.

Ach! und meiner Liebe Furcht ist wach.


Freuen wollt ich dein mich, deiner Siege

Aber Caibars Liebe läßt mich nicht.

So sprachst du. Jetzt haben dich die Woogen

Mädchen! und die Stürme dich betrogen,

Nacht umringt dein schönes Angesicht.


Aber schweiget noch ein wenig Winde!

Ueberbraust Darthulas Stimme nicht!

Fürst von Etha! sind dies Usnoths Hallen?

Jene Ströme die von Felsen fallen

Sind es Ethas blaue Ströme nicht?
[4]

Hier empöret Erin seine Berge,

Ethas Felsenströme brüllen nicht.

Dennoch ruh hier an des Ufers Hügel

Denn mein Schwerd umgiebt wie Blitzes Flügel

Dich du Liebliche, du schönes Licht.


Nathos: sagt das braun gelockte Mädchen,

Niemand hat Darthula außer dich,

Denn die Freunde sind mir früh gefallen,

Las um sie noch meine Klage schallen

Hör der Trauer Stimme, höre mich.


Abend ward einst, in der Wehmuth Schatten

Bargen meines Landes Eb'nen sich,

Ueber hoher Wälder Wipfel schritten,

Einzle Lüfte, die aus Wolken glitten,

Da umgaben Trauerschatten mich.


Die Gestalten meiner Freunde gingen,

Traurig, Geistern gleich, an mir dahin.

Da kam Colla mit gesenktem Schwerdte

Seinen Blick geheftet an die Erde,

Brennend glühte noch die Schlacht darin.


»Collas letzte einzige Hoffnung sprach er;

Braungeloktes Mädchen! Truthil fiel.

Siegreich kehrt dir nicht der Bruder wieder,

Zu Selama naht Erins Gebieter,

Mit ihm Tausende im Schlachtgewühl.«
[5]

Ist des Kampfes Sohn gefallen? seufzt' ich!

Hat der lange Schlaf sein Aug verhüllt?

O! so schütze mich der Jagden Bogen

Glücklich oftmahls meine Pfeile flogen,

Tödlich für das dunkelbraune Wild.


Freud umstrahlt den Greisen. Ja Darthula!

Deine Seele brennt in Truthils Glut,

Geh', ergreif das Schwerdt vergangner Schlachten!

Also Colla: seine Worte fachten,

Höher noch in mir des Kampfes Muth.


Wehmuthsvoll vergieng die Nacht, am Morgen

Schimmerte im Stahl der Schlachten ich. –

Caibar saß zum Mahl in Lonas Wüste,

Als Selamas Waffengang ihn grüßte;

Seine Führer rief er da zum Krieg.


Warum soll ich Nathos! dir erzählen

Von des Kampfes schwankendem Geschick?

Ach! umsonst bedeckt von meinem Schilde,

Sank der Vater mir im Schlachtgefilde,

Und in heißen Thränen schwamm mein Blick.


Treulos zeigte da des Mädchens Busen,

Caibar mein zerrissenes Gewand;

Freundlich naht er, sprach der Liebe Worte,

Führte mich zu meiner Väter Pforte,

Aber Trauer meine Stirn umwand.
[6]

Da erschienst du Nathos! meinen Augen,

Freundlich wie ein Abendlich Gestirn.

Caibar schwand vor deines Stahles Sprühen

Wie der Nachtgeist vor des Morgens Glühen,

Doch es wölbte Trauer deine Stirn?


Meine Seele glänzte in Gefahren

Eh' ich dich, du schönes Licht! gesehn.

Aber unsre Segel sind betrogen,

Wolken, kommen gegen dich gezogen.

Und du wirst in ihrer Nacht vergehn.


Oscar weilest noch an Selmas Küste!

Oscar schiffe durch das dunkle Meer!

O daß Winde deine Segel schwellten!

Zittern würden dann Temoras Helden.

Friede wäre um Darthula her.


Wo wird Nathos deinen Frieden finden?

Wo Darthula? wo ist für dich Ruh?

Geister der Gefallnen! sprach Darthula;

Truthil! Colla! Führer von Selama!

Winkt ihr mir aus euren Wolken zu!


Nathos! reiche mir das Schwerdt der Tapfern,

Vater! ich will deiner würdig seyn,

In des Stahles Treffen werd' ich gehen,

Nimmer Caibars düstre Hallen sehen,

Nein! ihr Geister meiner Liebe! nein!
[7]

Freude glänzt in Nathos bei den Worten,

Die das schöngelokte Mädchen sprach:

Caibar, meine Stärke kehret wieder!

Komm mit Tausenden, Erins Gebieter!

Komm zum Kampfe! meine Kraft ist wach!


Ja er kömmt mit Tausenden! rief Ardan;

Schreckbar tönet ihrer Schwerdter Schall. –

»Laß zehntausend Schwerdter sich empören:

Usnoth soll von Nathos Flucht nicht hören,

Ardan! sag ihm; rühmlich war mein Fall.


Winde, warum brausen eure Flügel?

Woogen! warum rauscht ihr so dahin?

Wellen! Stürme! denkt ihr mich zu halten?

Nein, ihr könnts nicht, stürmische Gewalten

Meine Seele läßt mich nicht entfliehn.


Wenn des Herbstes Schatten wiederkehren,

Mädchen! und du bist in Sicherheit,

Dann versammle um dich Ethas Schönen,

Las für Nathos deine Harfe tönen,

Meinem Ruhme sey dein Lied geweiht. –


Nathos blieb gestüzt auf seinem Speere;

Schaurig pfiff der Nachtwind um ihn her

Aber bei des Morgens erstem Strahle,

Drang er vorwärts mit gezücktem Stahle,

Mit dem Führer eilt Darthula her.
[8]

Komm zum Zweikampf! ruft er Fürst Temoras!

Für Selamas Mädchen! – Caibar spricht:

Stolzer, du entflohst mir mit der Schönen

Wähnst du, Caibar kämpft mit Usnoths Söhnen?

Nein, er kämpft mit Unberühmten nicht.


In des königlichen Nathos Augen

Glänzen Thränen; und er wendet sich

Zu den Brüdern, ihre Speere fliegen

Rache dürstend, und gewiß zu siegen

Erins Reihn verwirren schwankend sich.


Da ergrimmet Caibars finstre Seele,

Und er winket, tausend Speere fliehn,

Usnoths Söhne sinken wie drei Eichen,

Die zur Erde ihre Wipfel neigen,

Wenn des Nordens Stürme sie umziehn.


Gestern sah sie noch der Wandrer blühen

Ihre stolze Schönheit freute ihn,

Heute beugte sie der Sturm der Wüste,

Sie, die gestern noch die Sonne grüßte,

Sprachlos starret Collas Tochter hin.


Höhnend naht ihr Caibar, Mädchen sahst du

Nathos Land, in fernes Blau gehüllt?

Oder Fingals dunkelbraune Hügel?

Ha! entrannst du auch des Sturmes Flügel,

Ueber Selma hätte meine Schlacht gebrüllt.
[9]

Caibar sprachs. Da rauscht ein Pfeil, getroffen

Sinkt sie, und ihr Schild stürzt vor sie hin.

Wie des Schnees Säule sank sie nieder,

Ueber Ethas schlummernden Gebieter,

Spreiten sich die dunklen Locken hin.


Da versammelten die hundert Barden

Caibars, um Darthulas Grabmal sich

Ihre Harfen rauschten um den Hügel,

Und es schwang sich des Gesanges Flügel,

Für der Mädchen Erins Schönste! dich!


Trauer schreitet an Selamas Strömen,

Schweigen wohnet in den Hallen nun.

Collas Tochter sank zum Schlafe nieder

O! wann grüßest du den Morgen wieder?

Schöngelockte! wirst du lange ruhn?


Weit entfernet ist dein Morgen, nimmer!

Stehst du mehr in deiner Schönheit auf;

Ach! die Sonne tritt nicht an dein Bette,

Spricht, erwach aus deiner Ruhestätte!

Collas schöne Tochter! steig herauf!


Junges Grün entkeimet schon dem Hügel,

Frühlingslüfte fliegen drüber her.

Sonne birg in Wolken deinen Schimmer!

Denn sie schläft, der Frauen Erste! nimmer

Kehret sie in ihrer Schönheit mehr.
[10]

Quelle:
Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 1, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 3-11.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon