Hildgund

[89] Personen


Herrich, Fürst der Burgunder


Hildgund, seine Tochter


Walther von Aquitanien, ihr Verlobter


Attila, König der Hunnen


Edezon, ein Hunne


[90] (Herrichs Palast zu Cabilonum.)


Herrich. Hildgund.


Hildgund.


Seyd mir gegrüßt, ihr längst ersehnte Fluren,

Und du Burgund, mein väterliches Land!

Mein Blick der Waffen müd', und des Getümmels

Weilt in der Heimath stillen Hallen gern.

Mein Ohr, gewöhnt an rauhe Männertritt' und Waffenklirrn,

Vernimmt der Liebe süße Stimme nun,

Nur wo mir Gatte, Vater winket, und mein Erbe,

Wo Sitte herrschet und nicht rohe Macht,

Nur hier ist Glück, und Fried' und süße Ruhe.


Herrich.


Dem Vaterlande nicht allein, dem Vater

Gehört der Tochter erste Freude an.


Hildgund.


Der Vater macht das Vaterland erst werther,

Und meine Freude theilet sich in ihn, und es.


Herrich.


Vergessen sind der Trennung bange Jahre,

Der Jugend Tochter drückt mich an ihr Herz,[91]

Was zwischen diesem Tag und jenem Scheiden lieget

Ist nichtiger Traum und banger Selbstbetrug.

Die junge Freude scheucht der trüben Zeiten Jammer,

Denn was vergessen ist, das ist dem Menschen nichts mehr.


Hildgund.


So flieht denn auch dahin, ihr dunkler Jahre Träume!

Des neuen Daseyns froh, vergeß ich was einst war.


Herrich.


Vergiß es! Doch vergiß von ihm zu reden nicht,

Von ihm, den aller Völker Stimme herrlich nennet.

Verworrne Sage nur vernahm von ihm mein Ohr,

Und glaublos bleibt mir ein entfernt Gerücht.


Hildgund.


Was des Gerüchtes Echolippen von ihm sprachen,

Was unwahrscheinlich scheine oder wahr,

Das ist der König: in barbarischer Größe

Beherrschet er Panoniens weites Reich,

Wenn um ihn her der Römer Gold entnervet,

Wenn Weichlichkeit der Wollust Schaale beut,

Verschmäht er selbst, was er den Andern gönnet,

Ihn fesselt kein Genuß, sein thätiger Geist

Entfliehet der Entnervung matten Freuden,

Und er verachtet so, was Anderer Wonne ist.

Bei Griechenlandes List und bei der Römer Sitte

Blieb er noch Attila, sich selbst genug und streng,

Kein niederes Ziel wird seinen Planen reifen,[92]

Die Herrschaft einer Welt scheint ihm bestimmt zu seyn;

Des Orientes Gold häuft sich zu seinen Füßen,

Doch er verschenkt es leicht und trägt ein leinen Kleid.

Wenn seiner Fürsten Wein in goldenen Bechern sprudelt,

So trinket er aus Holz der reinen Quelle Fluth. –

In stolzer Sicherheit trotzt er auf Odin's Schwert,

Und seiner Ahnen Ruhm und seines Volkes Größe

Genügen ihm nicht mehr. –


Herrich.


Mich schrecket, was du sprichst. –

Doch wie war dein Geschick bei dieses Mannes Strenge?


Hildgund.


Verlassen war ich erst und einsam klagte

Mein traurig Herz, doch niemand weinte mit;

Von Walther, dem mich früh des Vaters Wunsch vereinet,

Schied mich der Sitte trennendes Gebot.

Da sah mich Ospiru, die Gattin Attilas.

Beim ersten Blick ward sie mir schon gewogen,

Und ihres Ranges Glanz verwehrt ihr Freundschaft nicht,

Die Königin vergaß wer sie und wer ich wäre,

Und daß der Hunnen Volk dem meinen feindlich sey,

Durch Treue knüpfte ich der Eintracht zarte Bande

Und meiner Freundschaft Werth empfand die Königin.

Vor allen Weibern war Attila ihr gewogen

Und ihres Glückes Glanz warf einen Strahl auf mich;[93]

Ich sonst vergessen fand nun vor dem Herrscher Gnade,

Des königlichen Schatzes Hütherin ward ich.

Doch nicht Attilas Gunst, noch seines Weibes Liebe

Versüßten der Verbannten das Exil;

Mein trüber Blick hing an den düstern Fernen

Der Heimath und den vaterländischen Bergen.


Herrich.


Willkommener Tag der dich zurückgeführt!

Wie aber konntest du das starke Band zerreißen,

Das um dich her des Königs Wille zog?


Hildgund.


Verhast ward mir der Hunnen Uebermuth,

Verhast der Tag, der in der Knechtschaft mich erblickte,

Und meine Seele sann auf eine sichere Flucht.

Da kam, nach schwerem Kampf, von Attila gepriesen,

Mit Feindes Blut besprützt, einst Walther aus der Schlacht;

Mich freute nicht sein Sieg, noch seiner Lorbern Menge,

Und mit verhaltenem Schmerz reicht ich den Becher ihm;

Da flüstert er mir zu: Hildgund, ich liebe dich,

Du kennest schon mein Herz und unserer Väter Wille.

Auf! laß uns jetzt entfliehn! uns winkt ein Vaterland,[94]

Ein Thron, und unserer treuen Liebe

Erwartet dort der Ehe süßes Band.

Hast du den Muth, Gefahren zu bekämpfen,

Die jeder Morgen bringt, die keine Nacht verscheucht?

So höre meinen Rath: Nimm von Attila's Schätzen,

Was deiner Klugheit nützlich däucht,

Gold kann den langen Pfad nur ebnen,

Der Arme findet nirgends Schutz. –

Schwer war die That, unmöglich das Beginnen,

Wenn sich nicht schlaue List an fremdes Zutraun band.

Geliebt von Ospiru'n, mußt ich ihr Zweifeln fürchten,

Wenn nur mein sorgend Herz die innere Quaal verrieth.

Da täuschte sie mein Blick, der ewige Freude heuchelt,

Und die Zufriedenheit, die meine Zunge spricht.

Einst, da beim Abendmahl der Becher Freude giebt

Und Frohsinn aller Argwohn bannet,

Giebt Walther mir den Wink, der schnelle Flucht befiehlt,

Und von des Königs Schatz nehm ich den Harnisch mir,

Das goldne Schwert, die goldne Armgehenke,

Der Väter schweres Schild; sie trägt mein treues Roß,

Und bei des Mondes Glanz, bei blasser Sterne Schimmer

Verlassen wir des Hunnenherrschers Burg.


Herrich.


Und wie entkamet ihr der Szyten wilden Horden,

Hat dich der Götter Hülf', hast du dich selbst befreit?


[95] Hildgund.


Der Gott, der mich befreit, wohnt in dem eigenen Herzen,

Wer seiner Stimme traut, dem ist die Rettung nah;

Uns folgte schnell die Noth mit ihrem ernsten Tritte,

Doch unser Muth verlachte sie.

Bald mußten wir der Ströme Lauf durchschneiden,

Dann uns verbergen in der tiefsten Schlünde Nacht,

Nur Sterne leuchteten auf unserm rauhen Pfade,

Dann barg sich uns der Weg in weiter Steppen Sand;

Doch hohe Zuversicht, die wir im Busen trugen,

Bracht uns hierher, jetzt sind wir ja am Ziel.


Herrich.


So steige Dank empor zu unserer Götter Throne,

Daß sie die Tochter mir, den Jüngling mir gesandt!

Es wird des Alters Schmerz der Tochter Liebe lindern,

Und von des Jünglings Arm stürzt meiner Feinde Macht.

Er wählte sich den Lohn, wie ihn sein Herz begehret

Und Hildegunde du, gieb dich ihm selber hin.


(Attilas Gezelt vor Acuilegia.)


Attila. Edezon.


Edezon.


Des Heeres Murren muß des Königs Ohr erreichen,

Unkluge That beginnt, wer anderer Sinn nicht prüft.


[96] Attila.


Des Treuen klugen Rath hab ich noch nie verschmähet,

Der Weisheit goldnes Wort vernehm und folg ich gern,

Denn nur im Dunkel ferner Zeiten reifet,

Was meiner Ahnen Plan, was meines Vaters Wille,

Und meines eignen Herzens frühste Sehnsucht war.

Blick auf! am Himmel schaust du noch dieselbe Sonne,

Der Hunnimund den großen Schwur gethan,

Daß einst, so weit sie ihre Strahlen sendet,

Der Hunnen starker Zepter reichen soll.

Und könnt ich auch ein solches Wort vergessen?

Vergessen was ein großer Ahnherr sprach?


Edezon.


Und hast du selbst nicht jenen Schwur erfüllt?

Ist dir der ganze Ost, der West nicht unterthänig?

Zollt dir nicht Römer Gold? Dich fürchten die Barbaren

Und Katalaunens Ebne gab dir Sieg.

Wer mag der Gothen blutige Wunden zählen,

Die Odins Schwert in seinen Thälern schlug.

Es rollt im Heldenblut Matronas dunkle Welle,

Doch Attila gebeut, den Hunnen folgt der Sieg.


Attila.


Du sprichst von dem was schon geschehen,

Doch nicht von dem, was noch geschehen muß.[97]

Der Meinen Heldenruhm ist diesem Schwerdt vertraut,

Weh mir, erfüll ich nicht, was sie von mir gehofft.


Edezon.


Gehorchen dir nicht Gothen, Hunnen und Gepiden,

Heruler, Szyten und Panoniens mächtiges Volk?

Und deine Kunst vereint, was so verschieden denket,

Zu einem großen Zweck, zu mancher kühnen That.

Giebts auch ein Ziel, das du noch nicht ersieget?

Noch einen Ruhm, der nicht der deine sey?


Attila.


Noch lebet Rom, noch zuckt in regen Lebens-Krämpfen

Des Orientes sterbend Kaiserthum.

Wenn beide hin, wenn beider Stolz besieget,

Wenn meiner Hunnen Schwerdt den Raub der Welt gerächt

Und jenes Römer Volk, das Trug mit Feigheit paaret,

Dahin geschlachtet hat, dann erst hab ich gesiegt.


Edezon.


Doch was beschließest du mit Aquilegia?

In Schutt gestürzt sind seiner Thürme Zinnen

Und seiner Bürger Muth steigt zur Verzweifelung.

Wo in der Menschenbrust verborgne Kräfte schlummern,

Da weckt sie sie zu ungeheurer That.

Der Szyten Muth erliegt des Mangels Bürde,

Den Tod im Streit nur sucht ein tapfrer Mann.


[98] Attila.


Ich fürchte es nicht, noch Aquilegias Wehren,

Denn seines Falles Stunde ist nun da,

So spricht die Seherin, die in der Dinge Tiefen

Die künftigen Geschicke alle liest.


Edezon.


Herr! eh' der Tapfern Blut Italiens Erde färbet,

Eh ungewisser Sieg gewisse Wunden schlägt,

Vernimm nur einmal noch der Schonung billige Worte,

Biet' Gnad' und dein Verzeihn den wackern Kämpfern an.


Attila.


Verschonen will ich gern, wenn Gnade sie beweget,

Die Furcht besiegt mich nicht, doch oft ein bittend Wort.


Edezon.


Biet' Gnad' und dein Verzeihn den wackern Kämpfern an,

Gewiß wird deine Huld der Männer Seelen lenken,

Sie werden gerne sich des Siegers Großmuth weihn.


Attila.


Nur wisse, heute noch fällt blutiges Loos auf sie,

Wenn sie der Gnade Wort mit stolzem Trotz verschmähn,[99]

Wenn sie Roms feiges Joch und schwacher Kaiser Wille

Erwählen und der Hunnen Herrschaft schmähn.


Edezon.


Ist hier noch eine Wahl? Verderben

Ruht in der einen Hand, die andere nur ist Heil.


Attila.


So geh denn, du bewährter Sohn der Ehre!

Mein Freund, geh! bring den Kämpfern Friede hin.


Atilla allein.


Attila.


Des Sieges Herrlichkeit werd ich noch heut empfinden,

Doch meine Seele drückt ein ungewohnter Schmerz.

Als nach der Gothen Fall die blutigen Ebnen rauchten

Und der Verwüstung Graus mit Trauer mich erfüllt;

Wer suchte meiner Stirn die Wolken zu entrücken?

Wer sang der Helden That begeistert mir ins Herz?

Die Tochter Herrichs wars, doch schrecklicher Gedanke?

Verrath, schwarz wie die Nacht, befleckt Hildgundens Bild. – –

Ich will es ihr verzeihn, weil Knechtschaft sie gedrücket,

Und weil ein großes Herz sich auch nach Freiheit sehnt.

Ich fodere sie zurück, Verzeihung soll ihr werden

Und meines Herzens Wahl heischt sie als Königin.


[100] (Herrichs Palast in Cabilonum.)


Herrich. Hildgund. Walther von Aquitanien.


Herrich.


Des Unglücks harten Schlag mit stillem Sinne dulden,

O Tochter ziemet deiner edlen Seele wohl!

Dich fordert Attila, er wird dir gern vergeben,

Als Königin begrüßen die Gesandten dich;

Geschenke schickt er dir, an Gold und an Geschmeide,

Und Friede giebt er mir um meiner Tochter Hand.


Walther.


Ja fodre nur, Tirann, dir wird sie nimmer werden,

So lang' noch Walther lebt, der deiner Drohung lacht.


Herrich.


Doch, will Hildgunde nicht dem Hunnenführer folgen,

So soll des Krieges Schwerdt des Königs Rächer seyn,

Dann kommt die Reu zu spät, und keine Thräne rettet,

Burgund empfinde dann der Knechtschaft tiefste Schmach.


Walther.


Trau nur auf dieses Schwerdt, trau auf des Armes Stärke,

Die Liebe siegt durch mich, der Tod für sie ist süß.

Ich kenne die Gefahr, und jener Hunnen Kriege –

Hab ich nicht Tausende zu Ruhm und Sieg geführt?[101]

Und glaubst du, nur der Szyten Horden siegen?

O nein! Auch Aquitaniens Fürsten haben

Der Zeit des Ruhmes Siegel aufgedrückt.


Herrich.


Ich weiß es, wie du Blut und Leben

Der Ehre und der Liebe opfern wirst;

Der Tochter Wille nur kann über sie entscheiden,

Hildgunde schweigt, was sagt ihr düstrer Blick?


Hildgund.


Ich bin entschieden; nur in feigen Busen kämpfet

Der größere mit dem kleineren Entschluß,

Ich bin Attilas. Du, o Walther, fliehe,

Wenn du mich liebst. Die Scheidende wills so.


Herrich.


Das Edlere, Mädchen, hast du jetzt gewählet,

Ich fühl' es. Leb' auf lange, lange wohl!


Hildgund.


Schon jetzt, mein Vater, willst du mich verlassen,

Und ohne Segen, ohne Abschied eilest du von mir?


Herrich.


Mein Segen folgt dir stets, den Abschied spare mir,

Vergiß den Vater nicht, denk seiner in der Ferne. –

Das Glück geleitet dich, es sey dir immer hold.


[102] Hildgund. Walther.


Walther.


So hängt auch deine Treu von Gold und Hoheit ab?

Unseliges Geschlecht! Weh' dem, der dir vertrauet!

Ja, Großmuth nennest du, was Wankelmuth nur ist,

Der Seele stolzer Wunsch geht nach Attilas Throne,

Und seines Namens Ruhm giebt dich so leicht ihm hin,

Wirst du, wer dich befreit, auf einem Thron noch denken,

Wenn goldener Hoheit Rausch die Seele dir bethört?


Hildgund.


O lästere den Entschluß, den kluge Vorsicht heischet,

Zu frühe nicht! Du weist nicht was ich will.

In meines Herzens tiefsten Gründen reifet

Die größte That, die je ein Weib gethan.


Walther.


O sprich ein Wort, ich werde dich befreien,

Dich schützen vor des Hunnen-Königs Zorn.


Hildgund.


So lang' Attila lebt, bist du mir nicht vergönnet;

Sein Wort befiehlt der Welt, wo sollt' ich hin entfliehen?

Verderben ist gewiß, nur ein Entschluß erhellet

In dieser trüben Nacht, doch der Entschluß ist schwer.


[103] Walther.


Schwer was für dich zu thun? Kennst du so meine Liebe

Und meiner Treue ewig hingegebnes Herz?

Ich ahnde jene That, was deine Seele brütet

Vollführet dieser Dolch, sey meines Muths gewiß.


Hildgund.


Wie herrlich ist der Mann, sein Schicksal bildet er,

Nur eigener Kräfte Maas ist sein Gesetz am Ziele,

Des Weibes Schicksal, ach! ruht nicht in eigner Hand!

Bald folget sie der Noth, bald strenger Sitte Wille,

Kann man sich dem entziehn, was Uebermacht befiehlt?


Walther.


So willst du unversucht, was meine Liebe kann,

Dich in des Hunnen-Königs Arme werfen?


Hildgund.


Beschütz' den Vater noch, wie du vordem gethan,

Die Kraft verlässet ihn, sey du von jetzt ihm Stütze,

Der Tochter leiser Dank wallt aus der Ferne dir,

Kann ich für diese Huld noch einen Wunsch erfüllen,

Den du im Busen trägst, o sage mir ihn bald!


Walther.


Nenn meinen Namen nie, daß es Attila wisse,

Vergessen will ich sein von ihm und auch von dir.


[104] Hildgund.


Geh, bring dem Vater noch der Tochter bangen Gruß,

Sag' ihm das Lebewohl, das uns auf lange trennet,

Mein harrt ein steiler Weg, der seine ist am Ziel. –

Wer sieht der Zukunft magisch dunkele Gebilde?

Ob uns ein Dolch vereint, ob uns das Schicksal trennt?


Walther.


Verlassen will ich dich, du hast ja selbst gewählet,

Spar' dir des Grübelns Reu, ich kann es dir verzeihn.


Hildgund allein.


Hildgund.


O Walther! Doch du wirst ja einst gerochen

Und seines Raubes kurze Lust ihn reun.

Was zag ich noch, ists denn zu ungeheuer,

Als daß die scheue, blasse Lipp' es nennen mag?

Mord! Ha der Name nur entsetzet,

Die That ist recht, und kühn und groß,

Der Völker Schicksal ruht in meinem Busen,

Ich werde sie, ich werde mich befrein.

Verbannt sey Furcht und kindisch Zagen,

Ein kühner Kämpfer nur ersiegt ein großes Ziel.


(Attilas Pallast zu Curta in Pannonien.)


Hildgund. Edezon.


Edezon.


Als Königin begrüßt der Hunnen König dich.


[105] Hildgund.


Dem Herrscher werde Dank für seine Mild und Huld.


Edezon.


Attila wünscht bei dir ein treues Herz zu finden,

Gieb, Königin, es ihm, was er so gerne hofft;

Er ist ein edler Mann, du wirst ihn gütig sehen,

Wenn du der Weisheit Wort und seine Liebe hörst.


Hildgund.


Ich ehr' des Freundes Rath und werd' ihn auch erfüllen,

Du bist Attilas Freund, du bist von mir geehrt.


Edezon.


Wenn du die Klugheit hörst wirst du dich glücklich finden.


Hildgund.


Wie lebet Ospiru, vernahmst du nichts von ihr?


Edezon.


Ihr blüht ein stilles Glück, des Weibes schönstes Loos,

Sie liebt der Stärkere, der Schwächere ehret sie,

Ein liebend treues Herz lebt in der Andern Wohl.


Hildgund.


O dreifach selig Loos, wohl dem, dem du vergönnt,

Der in der Seinen trauter Mitte glücklich ist!

Kein Zweifel nahet da dem frohen Kreise

Und keine Sorge nahet sich der stillen Ruh.


[106] Edezon.


So bist du glücklich auch in einem schönen Kreise,

Dich wählt ein großer Mann, dich liebt ein gutes Volk.


Hildgund.


Sprich, ist der König nah? Wie? oder ist er ferne?


Edezon.


Er ist dir nah, ich geh; bald wird er bei dir seyn.


Hildgund allein.


Hildgund.


Schon zuckt mein Dolch, bald wird das große Opfer bluten,

Das, Herrscher einer Welt, ein schwaches Weib besiegt.

Die starke Kette reißt, die Millionen bindet,

Die mächtige Feder springt, die einen Erdball drückt;

Italien zage nicht! ich werde dich befreien,

Der Völker Geisel fällt durch Hildegundens Hand.


Hildgund. Attila.


Attila.


Sey in Pannonien du, o Theure, mir gegrüßt!


Hildgund.


Ich beuge mich zum Staub vor meinem Herrscher hin.


[107] Attila.


Wo Redlichkeit die offne Sprache führet

Erlaß ich knien gern und was die Demuth heischt,

Steh auf Hildgund! steh auf! ich hab' es dir verziehn.


Hildgund.


Herr deiner Großmuth Lohn ist zwar in eigenem Herzen,

Doch gebe Götter Huld dir Glück und Heil und Ruhm.


Attila.


Des Hauses stilles Glück such ich in deinem Arme

Und jener Stunden Ruh, die nach des Tages Kampf

Und nach der Arbeit Last dem Sieger du versüßest.


Hildgund.


Euch Götter, euch sey Dank, daß ihr mich ausersehen,

Dem größten, besten König werth zu seyn.

Was nur mein Herz vermag, das werd' ich gerne geben,

Den, der ein Gott schon ist, noch menschlich zu erfreun.


Attila.


So komm, ein frohes Fest erwartet

Die Glücklichen, mein freudig Volk erwartet dich.


Hildgund.


Ich folge meinem Herrn! (für sich.) Ha feire nur, Tirann,

Des letzten Tages schnell entflohne Stunden.

Quelle:
Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 1, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 86-87,89-108.
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