|
[226] 1866.
Hast du endlich allverständlich,
Schicksal, deinen Spruch getan,
Und wie Frühlingsbrausen endlich
Weht's das deutsche Leben an?
Ja, der Bannfluch ist gebrochen,
Der beklemmend auf uns lag,
Und befreit mit Herzenspochen
Grüßen wir den jungen Tag.
Wo an Böhmens wald'gen Borden
Siebenmal die Schlacht getobt,
Hat der schwarze Aar vom Norden
Seiner Schwingen Kraft erprobt;[226]
In den Staub von ihr getrümmert
Sank die Fessel, die so lang
Jeden Hoffnungstraum verkümmert,
Der aus deutscher Seele sprang.
Doch, wie stolz im Feld der Waffen
Euer Wurf, ihr Sieger, fiel,
Halb erst steht das Werk geschaffen,
Unsrer Sehnsucht hohes Ziel.
Andern Grund noch gilt's zu legen
Als des Schwertes freudlos Recht;
Nur in freier Liebe Segen
Knüpft Geschlecht sich an Geschlecht.
Wallt denn, eurer Lorbeerzweige
Würdig, unsrem Volk voran!
Jeder eitle Hader schweige,
Jeder Hohn sei abgetan!
Zeigt, wie schön dem Heldenmute
Weisheit sich und Güte paart,
Und am stammverwandten Blute
Ehrt des Geistes Eigenart!
Aber ihr, die dieser Zeiten
Sturm gebeugt, erhebt das Herz!
Künftig Heil will sich bereiten,
Und die Wandlung nur ist Schmerz.
Brach auch Teures euch zusammen,
Lernt aufs Ganze gläubig sehn!
Lodernd muß der Holzstoß flammen,
Soll der Phönix auferstehn.
Drum getrost! Und schwört in treuer
Kraft zum großen Vaterland,
Und des heil'gen Opfers Feuer
Schürt es selbst mit frommer Hand!
Werft der Eifersucht Gedanken,
Werft den alten Groll hinein!
Brausend auch die letzten Schranken
Spült hinunter dann der Main.[227]
O wann kommst du, Tag der Freude
Den mein ahnend Herz mir zeigt,
Da des jungen Reichs Gebäude
Himmelan vollendet steigt,
Da ein Geist der Eintracht drinnen
Wie am Pfingstfest niederzückt
Und des Kaisers Hand die Zinnen
Mit dem Kranz der Freiheit schmückt!
Ausgewählte Ausgaben von
Heroldsrufe
|
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro