Erster Sonnenblick

[131] Nach so viel trüben, trüben Nebeltagen,

Du goldner Schein, der aus dem Blauen fließt

Und klar durch meine Seele sich ergießt,

O Schein des Trosts, laß meinen Gruß dir sagen!


Ich war mit Angst und Traurigkeit geschlagen,

Doch nun ist's gut, da sich der Strahl erschließt;

Und leise, leise, wie die Rose sprießt,

Darf Lust und Hoffnung aufzublühen wagen.


O scheltet nicht, daß ich, ein Sohn der Erde

Und tief im Wesen der Natur vereint,

Von ihrem Angesicht geleitet werde!


Ihr seht ja doch, daß, wenn die Mutter weint,

Das Kind verstummt mit trauriger Gebärde

Und wieder lächelt, wenn sie froh erscheint.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 131-132.
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