Unbekümmert

[132] Bist du als Künstler, als Poet gesendet,

O laß dich nicht vom Preis des Marktes leiten!

Denn sinnlos hat die Welt zu allen Zeiten

An Mittelmäß'ges ihre Gunst verschwendet.


Zeig' ihr ein Bild vom Genius vollendet,

Drauf alle Himmel stille Glorien breiten,

Und eins, wo grell und roh die Farben streiten:

Du wirst es sehn, wohin ihr Herz sich wendet.


Nein, ihrem Tadeln lächle, ihrem Loben;

Du hast genug der Wonnen eingetauscht,

Kam dir der sel'ge Schöpfungsdrang von oben.


Der Nachtigall sei gleich, die duftberauscht

Noch stets dem Lenz den Brautgesang erhoben,

Ob ihr auch niemand als die Nacht gelauscht.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 132-133.
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