Zur Einleitung

[131] In Blüten sah ich Tal und Hügel prangen

Und tief im Grün die Spur des Winters schwinden,

Da ist auch mir mein Denken und Empfinden,

Lust, Zorn und Lieb' in Liedern aufgegangen.


Oft ließ ich auch die Laut' am Aste hangen;

Da kam der Lenz und harfte mit den Winden

Ein Stück dazwischen, eins von seinen linden,

Die wundermild das Menschenohr befangen.


Die Lieder alle hab' ich hier gereiht:

Es ward ein Kranz - ich wand ihn leicht und lose -

Bunt wie mein Herz und bunt wie diese Zeit.


Die heiße Tulpe flammt bei dunklem Moose,

Beim Blütenschnee trägt die Zypresse Leid,

Und unter wilden Nesseln lauscht die Rose.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 131.
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