Vorüber!

[18] O darum ist der Lenz so schön

Mit Duft und Strahl und Lied,

Weil singend über Tal und Höhn

So bald er weiter zieht;


Und darum ist so süß der Traum,

Den erste Liebe webt,

Weil schneller wie die Blüt' am Baum

Er hinwelkt und verschwebt.


Und doch! Er läßt so still erwärmt,

So reich das Herz zurück;

Ich hab' geliebt, ich hab' geschwärmt,

Ich preis' auch das ein Glück.


Gesogen hab' ich Strahl auf Strahl

Ins Herz den kurzen Tag;

Die schöne Sonne sinkt zu Tal.

Nun komme, was kommen mag!


Sei's bittres Leid, sei's neue Lust,

Es soll getragen sein:

Der sichre Schatz in meiner Brust

Bleibt dennoch ewig mein.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 18-19.
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