18.

[50] Durch Reif und Frost im falben Hage

Schreit' ich dahin bei rauhem Wehn;

So fühl' ich, ach, durch meine Tage

Mit leiser Klage

Des Herbstes kühle Schauer gehn.


Wo bist du, reiche Jugendwonne,

Du trunkner Glanz mir im Gemüt?

Ach, bleich und lässig hangt die Sonne

Im Nebel, die so schön geglüht.


Die Freuden brechen auf und wandern,

Zugvögelschwärme, fern hinab,

Und eine Hoffnung nach der andern

Fällt welk vom Baum des Lebens ab.


Nur du, gedämpfte Liedesweise,

Du meiner Sehnsucht tröstlich Wort,

Du bliebst mir treu und rauschest leise

Auch unterm Eise

Wie eine heiße Quelle fort.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 50.
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