Blauer Himmel

[83] Du Ätherblau, vom sel'gen Licht getränkt,

Durchsicht'ge Tiefe, drein der Blick sich senkt,

Bis er geblendet taumelt, Abgrund du,

Unendlicher, der Heiterkeit und Ruh',

Wie schafft dein süßer Hauch den Geist mir leicht,

Den staubumschränkten, der dir, ach, nicht gleicht,

Und doch, von deiner Klarheit angerührt,

In sich den Keim verwandter Zukunft spürt!

Denn schauernd ahnt er, so gesättigt ganz

Von heil'gem Frieden ruhn im lautern Glanz,

So Licht und Segen strömen mühelos

Aus eigner nie erschöpfter Füllen Schoß –

Das wird, ob auch nach langer Wandlung Pein,

Zuletzt die Blume seines Wesens sein.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 83.
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