An C.G.B

[329] Wie sollt' ich, Freund, dich um dein Glück beneiden,

Schenkt andern andres doch des Himmels Gunst;

Zwar deines Schlosses Hallen schmückt die Kunst,

Und deine Diener gehn in Samt und Seiden,


Von hundert Äckern darfst du Garben schneiden,

In deinen Forsten ruft des Hirsches Brunst,

Und tausendstimmig brüllt und blökt und grunzt

Ein zahllos Herdenvolk auf deinen Weiden;


Du weißt Arabiens besten Hengst zu zügeln,

Und dürstet dich's nach edlem Feuerwein,

So trieft er dir ins Glas von eignen Hügeln.[329]


Doch gönn' ich dir's. Mit Wen'gem froh zu sein,

Gab mir ein Gott und gab ein Roß mit Flügeln,

Und wenn's mich trägt, sind Erd' und Himmel mein.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 329-330.
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