Höchstädt

[357] Marlbrough zieht aus zum Kriege,

Die Fahnen läßt er wehn;

Da reicht zu Kampf und Siege

Die Hand ihm Prinz Eugen.


Sie mustern ihre Truppen

Bei Höchstädt auf dem Plan:

»Gut stehn im Brett die Puppen,

Frisch auf, wir greifen an!«


Und wie sie mit den Haufen

Dem Feind entgegenziehn,

Da kommt gejagt mit Schnaufen

Ein Hofkurier aus Wien.


Er springt im bunten Staate

Vom Roß und neigt sich tief:

»Vom hohen Kriegshofrate,

Durchlauchtigster, ein Brief!«


Der kleine Kapuziner

Schiebt ihn ins Wams bedacht:

»Der Herrn ergebner Diener!

Das les' ich nach der Schlacht.


Jetzt ist kein Zaudern nütze,

Jetzt heißt es: Dran und drauf!

Schon spielen die Geschütze

Tallards zum Kampf uns auf!«[357]


Er wirft sich auf die Franzen,

Marlbrough bleibt nicht zurück;

Bei Höchstädt an den Schanzen

Das ward ihr Meisterstück.


Wohl kracht's von Wall und Turme,

Wohl sinken Roß und Mann,

Doch vorwärts geht's im Sturme,

Die Feldherrn hoch voran.


Im dichten Kugelregen,

Den Degen in der Hand,

Erklimmen sie verwegen

Des Lagers steilen Rand.


Da packt den Feind ein Grausen,

Da flieht er fern und nah,

Und hinter ihm mit Brausen

Erschallt's: Viktoria!


Und wie des Kaisers Reiter

Nachrasseln Stoß auf Stoß,

Da frommt kein Haltruf weiter,

Geworfen ist das Los.


Ersiegte Fahnen prangen

Zweihundert an der Zahl,

Man bringt daher gefangen

Tallard, den General.


Doch abends, als die Flaschen

Im Kreis ums Feuer gehn,

Da zieht aus seiner Taschen

Sein Brieflein Prinz Eugen,


Studiert's und reicht's dem Briten;

Der blickt hinein und lacht:

»Parbleu! Die Herrn verbitten

In Wien sich jede Schlacht.


Nur kluge Retirade

Sauvier' uns, meint der Wisch;

Erlesner Senf! Nur schade,

Für diesmal Senf nach Tisch!«

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 357-358.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Spätherbstblätter
Spaetherbstblaetter
Spätherbstblätter
Spaetherbstblaetter

Buchempfehlung

Jean Paul

Titan

Titan

Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.

546 Seiten, 18.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon