Hochsommer

[365] Von des Sonnengotts Geschossen

Liegen Wald und Flur versengt,

Drüber, wie aus Stahl gegossen,

Wolkenlose Bläue hängt.


In der glutgeborstnen Erde

Stirbt das Saatkorn, durstig ächzt

Am versiegten Bach die Herde,

Und der Hirsch im Forste lechzt.


Kein Gesang mehr in den Zweigen!

Keine Lilie mehr am Rain! –

O wann wirst du niedersteigen,

Donnerer, wir harren dein.


Komm, o komm in Wetterschlägen!

Deine Braut vergeht vor Weh –

Komm herab im goldnen Regen

Zur verschmachtenden Danae!

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 365-366.
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