Schwaneck

[371] Ferne blaut die Alpenkette,

Die im Sonnendufte ruht;

Drunten tief auf kies'gem Bette

Zwischen Wäldern braust die Flut.


Und hinaus zu jenen Gipfeln

Und zum wilden Fluß ins Tal

Blickt die Burg aus roten Wipfeln

Im gedämpften Morgenstrahl.


Dankbar preise seine Sterne,

Wer dort oben Tag für Tag

Holdverschwistert Näh' und Ferne

Sinnend überschauen mag,


Wo die heitre Ruh' der Gletscher

Sein Gemüt ins Ew'ge neigt,

Wo des Stromes Schaumgeplätscher

Ihm ein Bild des Lebens zeigt.


Dort, wenn einst verstummt mein Psalter,

Vom Gewühl des Tages weit

Möcht' ich sonnen mich im Alter

In verschwiegner Einsamkeit


Und vom Glück, das ich besessen,

Noch gelabt im Widerschein

Ohne Harm die Welt vergessen

Und von ihr vergessen sein.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 371.
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