Regenzeit

[280] Geh' ich nach dem ew'gen Regen

Durch den Wald bei früher Zeit,

Ei, wie macht auf allen Wegen

Sich das Volk der Pilze breit!


Zwischen Dorn und Hagebutte

Truppweis auf des Pfades Rand

Stehn sie hier in weißer Kutte,

Dort im braunen Mönchsgewand.


Andre blähn gleich Kardinälen

Sich im flachen Scharlachhut,

Ach, und vollends nicht zu zählen

Ist die schwarzgefleckte Brut.


Dicht geschart und immer dichter

Durchs Revier von Ort zu Ort

Wälzt das schwammige Gelichter

Seine Propagande fort;[280]


Klimmt mit unheimlicher Schnelle

Hügelan aus jeder Schluft,

Haucht von jeder sumpf'gen Stelle

Seinen Brodem in die Luft.


Frischen Sonnenatem sende,

Güt'ger Himmel, send' ihn bald!

Sonst verdumpft uns noch am Ende

Dies Gezücht den ganzen Wald.


Sommer 1873.


Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 280-281.
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