[395] Lottchen. Siegmund.
SIEGMUND. Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen. Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage scheint mir nichts als eine Liebeserklärung in einer fremden Sprache zu sein. Ich hätte nicht gedacht, daß sie so zärtlich wäre. Die Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will.
LOTTCHEN. Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund! Ich könnte bald einige Minuten eifersüchtig werden. Nicht wahr, meine Schwester ist reizender als ich? Aber dennoch lieben Sie mich.
SIEGMUND. Wer kann Sie einmal lieben und nicht beständig lieben? Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit mehr. Sie kennen mein Herz. Dieses muß Ihnen für meine Treue der sicherste Bürge sein.
LOTTCHEN. Ja, ich kenne es und bin stolz darauf. Ach, mein liebster Freund, ich muß Ihnen sagen, daß uns vielleicht ein kleines Glück bevorsteht. Wollte doch der Himmel, daß es zu Ihrer Beruhigung etwas beitragen könnte! Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in einem Billette gemeldet, daß heute das Testament der Frau Muhme Stephan geöffnet werden würde, und daß er glaubte, sie würde den Papa darinne bedacht haben.[395] O wenn es doch die Vorsicht wollte, daß ich so glücklich würde, Ihre Umstände zu verbessern!
SIEGMUND. Machen Sie mich nicht unruhig. Sie lieben mich mehr, als ich verdiene. Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden, und ...
LOTTCHEN. Sie sind unruhig? Was fehlt Ihnen? Sagen Sie mir's. Mein Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe.
SIEGMUND. Ach, mein schönes Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das Glück, Sie ewig zu besitzen. Ich bin etwas zerstreut. Ich habe diese Nacht nicht wohl geschlafen.
LOTTCHEN. O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter. Wir wollen erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn.
Ende des ersten Aufzugs.