Sechster Auftritt.

[43] Karl tritt herein.


KARL. Verzeihen Sie, gnädige Frau, daß ich unangemeldet hereintrete.

AMALDI. Sie wissen ja, Graf, daß Sie das Recht haben.

KARL. Sie sind noch mit Ihrer Toilette beschäftigt?[43]

AMALDI. Ich habe erst spät anfangen können; und Sie wissen wohl, daß das bei uns Weibern ein wesentliches Geschäft ist, ohnerachtet eigentlich ihr Männer es seid, die es uns zur Notwendigkeit gemacht habt.

KARL. Das ist ein schaler Mensch, der bloß auf den Putz seiner Schönen sieht.

AMALDI. Eingestanden, wenn er bloß darauf sieht; aber glauben Sie mir, es ist keiner, dem es nicht eine angenehme Nebensache wäre; und da es nun einmal unsre Bestimmung heißt, euch Männern zu gefallen, was Wunders, daß wir auf so eine wichtige Nebensache unsere Aufmerksamkeit wenden?

KARL. Was ich dabei bemerke, wäre, daß keine Sache in der Welt ist, die nicht durch die Beredsamkeit einer Frau eine andre Wendung bekömmt.

AMALDI. Und so wär' also wohl nichts so schlimm, das nicht durch uns gut scheinen könnte; aber auch nichts so gut, das wir nicht böse darzustellen vermögen? Sehen Sie, Graf, da wären wir ja vortrefflich, um den Satz zu bestätigen, daß alles seine guten und schlimmen Seiten habe: und wenn ich es recht bedenke, die größten Verteidigerinnen des Systems der besten Welt.

KARL. Sie werden ja eine ganze Philosophin.

AMALDI. Und, nicht wahr, das ist Mißton im Munde des Weibes?

KARL. Sie wollen sagen, fremder Ton, gefährlich, wenn er allgemein würde; aber bei Ihnen, die sich so sehr von Ihrem Geschlechte auszeichnen, trifft das nicht ein.

AMALDI. Auszeichnen, das möchte ich gerade nicht, ich kenne die Grenzlinie wohl zwischen Mann und Weib; aber sehen Sie, da so viele Männer weibisch werden, lassen Sie immer hie und da auch ein Weib etwas vom Mann annehmen.

KARL. Was ist nicht gut, trefflich bei Ihnen?

AMALDI. Sie werden galant, mein lieber Graf: und das ist bei Männern Ihrer Art entweder Ironie, oder Nichtsdenken.

KARL. Sie vergessen das dritte: Wahrheit.

AMALDI. Genug davon, das könnte uns zu weit führen. – Ob Sie wohl schon recht verliebt waren?

KARL. Ich war es nie halb.

AMALDI. Das ist viel gesagt. Seitdem ich Witwe bin, habe ich, wie Sie wissen, manchen gesehen, der mir wollte glauben[44] machen, er sei in mich verliebt; er bildete es sich auch wohl selbst ein: aber unter allen kein einziger, von dem ich das mit Wahrheit hätte sagen können. Der Gedanke, daß ich eine reiche Witwe sei, daß durch meine Bekanntschaften ich meinem Manne eine ansehnliche Stelle bei Hofe schaffen könnte, war wohl immer der gemeinschaftliche Punkt, aus dem alle meine Liebhaber ausgingen. Wirklich, um das Vergnügen der Liebe zu genießen, muß man keinen Rang, keine Reichtümer haben, wahrhaftig – ha, ha, man sollte eine arme Malerstochter sein.

KARL bestürzt. Warum das gerade?

AMALDI. Und warum Sie so bestürzt? Ha, ha, meinen Sie, ich wüßte nichts von Ihnen; ist nicht eine gewisse Malerstochter?

KARL. Nun ja. Aber woher wissen Sie denn das?

AMALDI. Von Dromern, von Ihrem und meinem Freunde; dem ich bloß zuweilen ein schönes Wort sage, damit ich hie und da Neuigkeiten erfahre, jemand habe, der mich Treppe auf und ab führe, und sicher sein kann, in allen Gesellschaften eine Person zu meiner Trissettpartie zu finden.

KARL. Also von dem schwatzhaftesten unter der Sonne – –

AMALDI. Und warum soll man denn das auch nicht wissen, was ist es nun weiters? denn daß Sie sie wirklich heiraten wollten, das kann nicht sein: so schwach glaube ich Sie nicht, daß Sie Kreaturen dieser Art für was anders ansehen sollten, als was sie sind,1 Zeitvertreib. Ich mußte recht darüber lachen, daß der einfältige Dromer nur fürchten konnte, als würde ein Graf Karl entsagen dem Berufe, den er sich zum großen Mann fühlen muß; versperren alle Zugänge zu jeder ihm itzt offnen Ehrenstelle, aufgeben alle vorteilhaften Verbindungen, wo ich wohl dafür stehen möchte, daß es nur von seiner Wahl abhänge.

KARL. Auch, Gräfin, sollen Sie mich hoffentlich auf keiner Schwachheit begegnen.

AMALDI. Das sicherste Mittel, lieber Graf; als Freundin rate ich es Ihnen, – Sie werfen sich in die Arme einer andren.

KARL. Verstehen Sie sich so wenig auf Leidenschaften?

AMALDI. Wer sagt denn, daß Sie die andre gleich lieben[45] sollen? Suchen Sie sich eine Person, die Ihnen, ohne verliebt zu sein, nicht unangenehm zu sein scheint. Heiraten Sie sie, und dann sind Sie gegen jene Schwachheit gesichert.

KARL halb vor sich seufzend. Und bin dann –

AMALDI. Ein Betrüger, wollen Sie vielleicht sagen. Lieber Graf, das ist unter unsern beiden Geschlechtern so was Gemeines geworden, daß die Schuld an denen ist, die sich betrügen lassen: und warum wollen Sie allein der Thor sein? Ihr Mädchen, sie sei noch so vollkommen, bleibt immer Weib und, ich bin selbst ein Weib, als solche Ihnen nur so lang getreu, bis sie nichts neu findet, das ihr besser dünkt. Glauben Sie mir, verheiraten Sie sich.

KARL. Aber warum heiraten? warum gerade das?

AMALDI. Weil es für Sie das einzige, beste Rettungsmittel ist. Aber, folgen Sie mir; nicht wiederum eine Romanengeschichte –: suchen Sie sich eine Person, die Ihnen Reichtümer und Protektion verschafft; dann, sei sie nur ein wenig erträglich – und es wird schon gut gehen.

KARL. Wenn Sie so beredt für das Heiraten sprechen, warum heiraten Sie selbst nicht wieder? Nicht wahr, Sie wollen sich nicht wiederum Ketten anlegen?

AMALDI. Das nicht – – aber – vielleicht – – – Leben Sie wohl. Im Abgehen. Amaldi läßt sich nicht gern auf ihrer schwachen Seite sehen.

KARL steht ganz erstaunt da und sagt halb artikuliert. Sonderbar. Ab.


Der Vorhang fällt.


1

Hier gebe der Schauspieler, der die Rolle des Karls spielt, durch sein Gebärdenspiel zu verstehen, wie sehr er verschieden denkt, und lasse den Streit zwischen seinem Herzen und der ehrsüchtigen Vernunft bemerken.

Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 2, Stuttgart [o.J.], S. 43-46.
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