Fünfter Auftritt.

[79] Sophie kömmt.


HAUSVATER. Du kannst dir einbilden, meine Tochter, warum ich dich habe rufen lassen.

SOPHIE. Ja, und in der Lage sehe ich dem Augenblick mit Vergnügen entgegen.

HAUSVATER. Dieses Herzeleid kann mir also nicht erspart werden?

SOPHIE. Lieber alles, als mit ihm noch leben wollen.

MONHEIM steht auf und giebt das Papier dem Hausvater. Hier ist es fertig.

HAUSVATER. Also beide müßten jetzt einander entsagen – –, und Monheim bestimmt zweitausend Gulden Unterhalt. Seid ihr das zufrieden.

SOPHIE. Ja, von Herzen.

MONHEIM. Gewiß.

HAUSVATER. Hilft also kein Zureden, keine Vernunft mehr.

SOPHIE. Liebster Vater.

MONHEIM. Mein Entschluß ist fest

HAUSVATER. Nun, obschon ungern, ich willige darein. Geht hin, um es zu unterschreiben. Sie unterschreiben. So weit wären wir,[79] aber ein Punkt muß noch ausgemacht werden; bei wem bleibt euer einziges Kind?

SOPHIE. Ich bin Mutter.

MONHEIM. Ich bin Vater.

HAUSVATER. Gut – beide gleiche Rechte – aber eben deswegen.

SOPHIE. Eher lass' ich mir das Leben als mein Kind nehmen.

MONHEIM. Der Sohn ist mein – und ich lass' ihn nicht.

HAUSVATER. Seht ihr, meine Kinder, dieser Umstand sollte euch lehren – – kurz sollte euch von eurem Vorhaben zurückgehen machen. Herzen, die sich so in einem Kinde begegnen, sind sich eigentlich nicht feind; es ist nur Mißverstand – – Er nimmt das Papier. Soll ich es wieder verreißen?

MONHEIM. Um alles in der Welt nicht.

SOPHIE. Nein, nein, mein Vater.

HAUSVATER. Ja, aber jenes muß doch bestimmt werden. Nun, soll das Kind selbst entscheiden, bei wem es bleiben will?

SOPHIE. Recht gern.

MONHEIM. Ich bin's zufrieden.


Der Hausvater geht in ein Nebenzimmer.


MONHEIM. Ich wünsche übrigens, daß Sie recht gut leben möchten, ich scheide ohne Groll –

SOPHIE. Möchten Sie anderwärts ein Glück finden, das Sie sonst bei mir fanden, hernach nicht mehr finden konnten. Der Hausvater bringt den Knaben heraus. Sophie lauft gleich auf das Kind los, umarmt es. Nicht wahr, du bleibst bei mir?

DAS KIND. Ja, Mutter, liebe Mutter –

MONHEIM hebt das Kind zärtlich in die Höhe. Willst mich also verlassen, Fritz?

KIND. Nein, Papa, will bei dir bleiben.

HAUSVATER. Aber, Fritz, die beiden gehen auf immer von einander, du mußt sagen, bei wem du bleiben willst.

SOPHIE. Nicht wahr, bei mir?

MONHEIM. Bei mir, mein Kind?

KIND. Bei dem Vater und der Mutter.


Die Eltern sehen weg. Der Hausvater beobachtet sie; eine Pause; dann wieder.


DAS KIND. Aber warum sehen Sie so böse aus? – Papa und Mama waren ja sonst so gut – – Bittend und sie an ihre[80] Kleider ziehend. Nicht weg dürfen – – beide bei mir bleiben. Beide wollen das Kind umarmen, sie begegnen sich, sehen sich gerührt an; dann fallen sie sich um den Hals.

HAUSVATER. Dank dir, Natur, daß du mich nicht verließest!

MONHEIM. Willst du verzeihen?

SOPHIE. Alles vergessen. Umarmen sich wieder.

HAUSVATER hebt das Kind an sie hinauf, es hält sich an beide. Wollt ihr euch noch trennen?

SOPHIE. Nein, mein Vater.

MONHEIM. Auf ewig vereinigt durch dieses Band, hier ist doch nur wahres Vergnügen.

HAUSVATER wischt sich mit seinen Händen die Augen. Kinder! das sind süße Vaterthränen.


Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 2, Stuttgart [o.J.], S. 79-81.
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