XCVII
DER SPRINGBRUNNEN

[116] Arm liebchen! dein auge ist feucht

Und müd · halt es lang noch geschlossen!

In ruhe bleib hingegossen

Daraus das vergnügen dich scheucht!

Im hofe das wasserspiel während

Der nacht und des tages singt

Die süsse verzückung nährend

Die heute die liebe mir bringt.[117]


Die garbe die tausendfach

Blumen schiesst

Wo Phoebe erfreut ihre

Farben ergiesst

Wie regen von reichlichen

Tränen fliesst.


So schwingt deine seele die wilde

Blitze der lust durchglühn

Hinauf sich eilig und kühn

In weite zaubergefilde.

Dann wie ersterbend verbreitet

Sie zehrende schmerzensflut

Die unsichtbar gleitet und gleitet

Bis tief sie im herzen mir ruht.


Die garbe die tausendfach

Blumen schiesst

Wo Phoebe erfreut ihre

Farben ergiesst

Wie regen von reichlichen

Tränen fliesst.[118]


Bei dir · der am abend so schönen ·

Hör ich an dich geneigt

Der ewigen klage stöhnen

Die aus dem springbrunnen steigt.

Mondnacht heilig und mild

Wasser und laubesschauern –

In eurem keuschen trauern

Sieht meine seele ihr bild.


Die garbe die tausendfach

Blumen schiesst

Wo Phoebe erfreut ihre

Farben ergiesst

Wie regen von reichlichen

Tränen fliesst.

Quelle:
George, Stefan: Baudelaire. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 13/14, Berlin 1930, S. 116-119.
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