II

[42] Leise singen im abendhauche

Trauerweiden ihr leidend lied ..

Eine mutter mit feuchtem auge

Vor dem grabe des kindes kniet.


Und die mutter spricht mit klagen:

Du mein sohn so hoffnungsvoll

Welche schuld hast du getragen

Die erregte des himmels groll


Dass er dich in der jugend prangen

In des grabes dunkel stiess?

Welche sünde hab ich begangen

Dass er dich nicht bei mir liess?[42]


Während sie sich so in den düstern

Quälenden gedanken verlor

Tönte durch die weiden ein flüstern

Wie ein naher geisterchor:


Törichte mutter

Die du bei des sohnes

Scheiden aus der erde getümmel

Suchest nach einer schuld –

Weisst du nicht mutter:

Früh ruft der himmel

Zum glanz seines thrones

Wer sich erfreut seiner höchsten huld.[43]


Quelle:
Stefan George: Die Fibel. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 1, Berlin 1927, S. 42-44.
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