EIN SONNENAUFGANG

[97] Vor kurzem entzündete sich

Auf dunklem ofen des himmels

Nach kalter winternacht

Die neue sonne.

Nun zeigt sie sich im ersten leuchten

Sie schimmert still.

Mit den wolken die sie umflattern

Die ihren glanz widerspiegeln

Erhellet sie spärlich

Die morgendämmerung.

Schnell verstärkt sie sich

Und die farbigen vorhänge[98]

Die ihr zu nah kommen

Erfasst und sengt sie.

Darauf erfüllt sich

Die ganze luft mit grauem

Undurchdringlichem rauch.

Es wächst und wächst wärme und licht

Bis endlich alles – wolken und nebel

In unendlicher feuersbrunst

Lohend verschlungen werden

Und ohne fremde nahrung

Durch eigene kraft allein

Die flammende scheibe strahlt.

Quelle:
Stefan George: Die Fibel. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 1, Berlin 1927, S. 97-99.
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