II

[64] Ich darf so lange nicht am tore lehnen ·

Zum garten durch das gitter schaun ·

Ich höre einer flöte fernes sehnen ·

Im schwarzen lorbeer lacht ein faun.


So oft ich dir am roten turm begegne

Du lohnest nie mich mit gelindrem tritt ·

Du weisst nicht wie ich diese stunde segne

Und traurig bin da sie entglitt.


Ich leugne was ich selber mir verheissen ..

Auch wir besitzen einen alten ruhm ·

Kann ich mein tuch von haar und busen reissen

Und büssen mit verfrühtem witwentum?


O mög er ahnen meiner lippe gaben

– Ich ahnte sie seit er als traum erschien –

Die oleander die in duft begraben

Und andre leise schmeichelnd wie schasmin.


Ich darf so lange nicht am tore lehnen ·

Zum garten durch das gitter schaun ·

Ich höre einer flöte fernes sehnen ·

Im schwarzen lorbeer lacht ein faun.

Quelle:
Stefan George: Hymnen, Pilgerfahrten, Algabal. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 2, Berlin 1928, S. 64-65.
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Hymnen, Pilgerfahrten, Algabal
Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 2: Hymnen. Pilgerfahrten. Algabal.
Hymnen: Pilgerfahrten ; Algabal (German Edition)