DIE HEIMKEHR

[84] Nach den toren von Golkonda

Geht ein buntbewegter zug ·

Aufgeschmückt im festeskleide

Wie zum hoffnungsfrohen streite


Führen ihn des Rajahs krieger

Und wie siegesmelodien

Klingts aus pauken und aus flöten

Aus fanfaren und drommeten.


In der mitte thront erhaben

Überm dichten volksgewühl

Zwischen schützenden trabanten

Auf dem weissen elefanten


Er der herrscher von Golkonda

In dem fürstlichen ornat ·

Eine reihe langer jahre

Bleichte seine lockenhaare[84]


Und das diadem der väter

Ruht ihm würdig auf dem haupt.

Neben thront zu seiner linken

Hehr ein jüngling: freudig blinken


Seine dunklen träumeraugen

Und in vollem jugendglanz

Glühen ihm die schönen wangen

Und der mund noch unbefangen.


Als der sohn des greisenalters

War prinz Indra ganz allein

Aus dem frohen kreis der sieben

Dem beherrscher nur geblieben.


Heute kehrte er zur heimat

Aus dem heiligen büsserwald

Wo er schon seit frühster jugend

Sich geübt in jeder tugend


An der hand des frommen siedlers

Dem der vater ihn vertraut.

Früh riss ihn die alte sitte

Schon aus des palastes mitte[85]


Ihn ins niedre haus zu senden

Zu dem weisen heiligen mann ·

Dieser lehrt ihn gutes stiften

Und der Veden alte schriften


Zu verstehn und zu ergründen ·

Macht mit allem ihn vertraut

Was von not war zu erwerben

Für den künftigen throneserben.


In des jünglings hellem sinne

Trug der same reiche frucht.

Der gedanken ruhnde geister

Weckte früh der kluge meister


Und dem prinzen wurden manche

Dinge zeitig offenbar ...

Da ward er zurückgerufen

Zu des höchsten thrones stufen


Von dem Rajah dem allmählich

Lästig ward der krone druck.

Von dem frieden jenes waldes

Des so süssen aufenthaltes[86]


Von dem teuern lehrer musste

Er sich trennen immerdar.

Schmerzlich traf ihn erst die kunde

Bitter war die abschiedstunde


Wogte ihm auch hoffnungsfreudig

Tatenstolz die junge brust

Die nur glanz und glück und ehren

Sich vom schicksal lässt bescheren.


Von des heiligen waldes grenze

Führt in festlich grossem zug

Selbst der vater und gebieter

Seinen einzigen sprossen wieder


Zu dem heimatlichen hause

Zu dem fürstlichen palast ·

Und das festliche geleite

Auf dem thron an vaters seite


Sollte ehrend ihn erklären

Zu dem künftigen landesherrn.

Freudig blickt er auf die menge

Und das farbige gedränge[87]


An den vater angelehnet ·

Wie ein frischgepflückter strauss

Bunter blumen anzuschauen

Neben einem gelblich grauen


Reifen ährenbüschel. Glücklich

Blickt der vater auf den sohn

Der so herrlich sich gestaltet

Und der greis die hände faltet.


Lauter mischt des volkes jauchzen

Hörner und drommetenklang

Sich zu Einem jubelchore

Und der zug geht durch die tore.

Quelle:
George, Stefan: Schlussband, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 18, Berlin 1934, S. 84-88.
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