DRITTES BILD

[17] Feld bei Trapezunt · Menes hinter einem baum sich verbergend.


MENES

Hier muss sein weg ihn bald vorüberführen

Wie oft er auch mit klugheit sich verdeckt

Bald da bald dort in neuer maske auftrat

Er wird mir diesmal nicht entgehn.

Hier werd ich ihm erklären wer ich bin ·[17]

Und wenn ich weiche weil er grösser ist

Er glaube nicht dass ers um vieles mehr ist.

Ein herb geschick · des lebens besten plan

Auf einmal aufzugeben da er reifte

Und mit dem kargen amte eines dieners

In bestem falle helfers eines andren

Zufrieden sich zu geben · es muss sein.

Von grossen werken · vom geschick der völker

Kann ich mich nicht zurück mehr ziehn ins dunkel

Das lässt mein schwur mein reger geist nicht zu.

Wenn auch sein diener will mit eifersucht

Ich wachen über allen seinen taten ..


MANUEL

(in der tracht eines bürgers will vorübereilen)


MENES

Erkennst du mich?


MANUEL

Ich sah dich öfter meinen spuren folgen

Ich glaube dass ich dich erkenne.


MENES

Seit jener nacht da unter uns du tratest[18]

Mein herz wie das der andren wandeltest

Mit dem versprechen eines hilfebringers

Da hab ich unablässig nachgeforscht

Bis ich entdeckte:

Du bist der prinz von Trapezunt.


MANUEL

Was willst du von mir?


MENES

Dir sagen wer Ich bin. Menes ein bürger.

Du weisst im volke lag des aufruhrs same

Doch blieb es lange zeit nichts als ein same

Es fehlte jemand frei von jedem band

Der mit der kraft der sprache die verstreuten

Erprobte mahnte reizte und vereinte

Der für Ein ding sich ganz zum opfer brächte ..

In langen nächten hab ich nachgesonnen

Wie ich mich rächen könnte · mich und alle.

Als knabe fühlt ich schon die schlimme herrschaft

Sie trieben uns von haus und hof hinweg

Ich aber schlug den einen unsrer schergen

Und floh mit knapper not vor haft und tod ...

Und immer klarer ward es meinem sinn

Dass ich berufen wäre zum erretter.[19]

Was ich gelitten und gewirkt durch jahre

Kann ich nicht · kann kein mund so schnell erzählen

Doch am erfolge konntest du erkennen

Welch eine kraft das ringen aufgenommen.


MANUEL

Ich wusste · nichts geringes war geplant

Drum kam ich grosses unglück zu verhindern.


MENES

Da kamst du · ja · ich hatte dich vorher

Schon manchmal in der Unterstadt gesehn

Wo hilf und trost verbreitend du dich nahtest.

Es griff mich eine heilige bewundrung

Vor dir (wer du auch mochtest sein) ich dachte

Der müsste einer von den Unsren werden.

Oft bin ich deinen pfaden nachgegangen

Dich anzureden und dich zu gewinnen

Doch es gelang mir nie.

Als mit gezücktem schwert ich auf dich zulief

In der Verschwornen rat · erkannt ich dich

Und plötzlich fiel ein licht in meine seele:

Ich merkte dass ein grösserer als ich

Erstanden war im wechsel der geschicke.

Gebrochnen herzens leistet ich verzicht[20]

Und als die menge zögernd rings mich ansah

Da riet ich abzustehn von meiner tat

Und auf dein wort zu baun.


MANUEL

Damals hast du mit staunen mich erfüllt.


MENES

Nun komm ich als dein diener oder helfer

Mich anzubieten.


MANUEL

Menes sei mein freund!

Im schweren amte das mir auferlegt ist

– Das ich vom himmel hab – bedarf ich dein

Die zeit wird festre bande um uns schlingen ..

Du ältrer hast schon einmal überwunden

Indes ich in des kampfes anfang bin.


MENES

Mein freund!


MANUEL

Auf diesem weg triffst du mich oft.

Quelle:
George, Stefan: Schlussband, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 18, Berlin 1934, S. 17-21.
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