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[107] O träge Muse · wie machst du das gut

Dass du solang nicht Wahr mit Schönem malst?

Denn Wahr und Schön in meiner liebe ruht

So wie in dir: dies ists wodurch du strahlst.


Gib antwort · Muse! Sagst du nicht vielleicht:

›Wahres braucht keinen glanz – voll eignem glanz ..

Schönes nicht pinsel der aufs Wahre streicht ..

Bestes ist Bestes – ohne mischung ganz?‹


Weil er nicht preis bedarf drum brichst du ab?

Entschulde so dein schweigen nicht: du weisst

Wodurch er lebt mehr als durch goldnes grab

Und was ihn in den künftigen zeiten preist.


So · Muse · tu dein amt! Dich lehr ich ihn

Spät noch so zeigen wie er heut erschien.[107]


Quelle:
George, Stefan: Shakespeare. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 12, Berlin 1931, S. 107-108.
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