DER SCHREI

[109] An ödem teich wo braunes wasser steht

Hängt an ein schilfrohr sich ein abendstrahl –

Verzweifelt tönt ein schrei · ein vogelschrei –

Ein schwacher schrei der fern ersterbend weint.


Wie ist er schwach und dünn und scheu und fein ·

Wie er in traurigkeit sich zieht und wiegt ·

Wie er sich dehnt und mit dem weg sich senkt

Und sich verliert am stummen horizont!


Wie seines röchelns takt die stunde schlägt

Und wie in seinem kläglich schwanken ton

Und seinem hinkend leisen widerhall

Die abendschmerzen schüchtern sich beklagen!


Manchmal so leise dass man kaum ihn hört

Besingt er dennoch ohne unterlass

Erloschnen lebens abschied düster zart

Die armen toten und den armen tod.[109]


Den tod der blumen und den tod der falter

Den sanften tod von flügel halm und duft

Der fernen klaren flüge die erstarrten

Und die gebrochen ruhn in gras und moos.

Quelle:
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Erster Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 15, Berlin 1929, S. 109-110.
Lizenz:
Kategorien: