MEINE MENSCHLICHE LIEBE

[92] Meine menschliche liebe ist nicht von fleisch und von blut ·

Sie schaukelt auf den geistigen b-moll-flügeln –

Sie waltet eigenschaftslos in unendlichkeiten ·

Von sinnbildern frei und frei von ebenbildern.


Ich fühle sie – heimliches flüstern der kommenden tage ·

Ich fühle sie – wonnende nebel des blauen sumpfes ·

Doch ich vermag nicht sie aus den saiten zu locken ·

Vermag sie zu malen nicht und nicht sie zu meisseln.


Wenn ich die worte zum worttag des wohlklangs berufe

Dass flügelgedanken auf durstigen mund sich mir setzen:

Kein wort ist im stande das siegel des rätsels zu brechen ·

Denn nicht ist von dieser welt meine menschliche liebe.


Vielleicht verstände sie irgendein meeresgestade

Wo die sonne in heimweh den glühenden bogen zeichnet

Auf felsen auf stränden wo schildkröten gleich und vögeln

Die roten gedanken ruhen in sattem schlafe.

Quelle:
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Übertragungen, Zweiter Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 16, Berlin 1929, S. 92-93.
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