MEINE GELIEBTE...

[84] Meine geliebte hat augen wie ein see

Augen wie ein see hat meine geliebte.

Warum geliebte?

Siehst du in fernen gefilden irrend

Inmitten der berge ein grünliches meer

So sprich:

In diesen gewässern schlummert ein stück meines lebens.


Meine geliebte hat einen leib ganz weiss

Einen leib ganz weiss hat meine geliebte.

Warum geliebte?

Fällt auf den kirschbaum der schnee der blüten

Und tauchst du dein aug in das sinnige weiss

So sprich:

In diesen blüten beschau ich ein stück meines lebens.


Meine geliebte hat ein berückendes lächeln

Berückendes lächeln hat meine geliebte.

Warum geliebte?

Giessest du dir einen trank in den becher

Und trübt der wein deine schaffenden sinne

So sprich:

In diesem weine schäumt ein stück meines lebens.[85]


Meine geliebte hat duftende haare

Duftende haare hat meine geliebte.

Warum geliebte?

Wenn du im kies eines parkes wandelnd

Den duft der orangen in dich trinkst

So sprich:

In diesem dufte schwebt ein stück meines lebens.


Meine geliebte kennt ein entzückendes lied

Entzückendes lied kennt meine geliebte.

Warum geliebte?

Wenn unserer freuden ernte vorüber ist

Und hörst du ein lied aus einsamer gasse klingen

So sprich:

In diesem liede schluchzt ein stück meines lebens.


Meine geliebte hat einen türkischen dolch

Einen türkischen dolch hat meine geliebte.

Warum geliebte?

Liebst du mich sehr so schmied ich daraus eine feder

Und wenn du priesterlich hehre sänge schreibst

So sprich:

In dieser feder gleitet ein stück meines lebens.

Quelle:
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Übertragungen, Zweiter Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 16, Berlin 1929, S. 84-86.
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