Erste Szene

[15] Phraortes allein. Saal im Palast der Königin. Im Hintergrund ein grosser

Vorhang.


Im schwersten Kampfe seh ich mich begriffen,

Es kämpft in mir die Liebe mit der Pflicht.

Der Königin, an der mein Herze hängt,

Die ich so lange glühend schon verehre,

Ihr soll ich raten ihre Hand zu reichen

Dem fremden Fürsten, der um sie geworben.

Damit der Friede uns erhalten bleibt,

Damit des Volkes Wohlfahrt nicht gestört wird,

Muss ich mein eigen Glück zum Opfer bringen,

Muss ich mich selber elend, friedlos machen.

So will's die Pflicht.

Doch wenn ich nun die Königin bestimmt,

Dass sie die dargebotne Hand zurückstösst,

Und so dafür gesorget habe, dass

Mir meine Hoffnung nicht erlösche, o –

Was tat ich dann?

Ihr, die nur Glück und Glanz erwarten darf

Als Gattin dieses grossen Perserfürsten,

Die als die mächtigste der Königinnen

Die Welt beherrschend überschauen wird,

Ihr kann ich nur den Hass in Aussicht stellen

Des Allgewaltgen, schwere blutge Kämpfe,

Entbehrungen und Mühen, Schmerz und Trauer.

Hab damit meine Liebe ich bewiesen? –

Nichts ist von Liebe mehr entfernt als Selbstsucht.

Nein, dahin darf ich es nicht kommen lassen,

Ich muss das Opfer bringen, ja ich muss.

So wollte es das Schicksal, meiner Liebe

Geheimnis muss ich mit zu Grabe nehmen.

Sie hat es nie gehört und wird es niemals hören.

Voll Glück und Lust wird ihr die Zeit verfliessen,[15]

Ich muss mein Leben freudenlos beschliessen,

Ein Sklave, dem das Schicksal niemals hold.

Die ich geliebt von früher Jugendzeit,

Sie reichte einem anderen die Hand

(Ich schwieg und litt)

Doch wurde hiedurch meines Herzens Glut

Nicht ausgelöscht, nur heftig unterdrückt.

Hell schlug sie auf, als nach des Gatten Tod

Der Hoffnungsstern von neuem mir erstrahlte.

Jetzt seh ich ihn zum andernmal erblassen,

Zum zweitenmal seh ich zur Hochzeit rüsten,

Die mir die heissersehnte Braut entführt.

Du süsser Traum, der in des Jünglings Jahren

Mich schon erfüllet hat mit selger Lust,

Der noch entzückt des reifen Mannes Brust,

Ich sehe dich auf ewig nun entfliehn –

Du schöner süsser Traum, fahr hin! fahr hin!


Quelle:
George, Stefan: Phraortes, Graf Bothwell. Düsseldorf, München 1975, S. 15-16.
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