Zweite Szene


[16] Thorax und Alastor.


ALASTOR.

Gut, dass wir hier uns trafen, Thorax.

Mein Plan ist reif, du sollst ihn jetzt vernehmen.

THORAX.

Was helfen uns jetzt deine Pläne? Morgen

Vielleicht erhalten die Gesandten schon

Die Antwort von der Königin. Man wird

Die Vorbereitungen zur Hochzeit treffen,

Und nicht mehr lange wird es dauern, bis

Der Perser König seine Gattin heimführt.

Uns geht es wie den Fröschen in der Fabel,

Die auch vom Bratspiess in die Flamme fielen.

Wir haben uns beklagt, dass wir als Männer[16]

Dem Weib Gehorsam leisten müssten und

Wir hielten es für schimpflich, unerträglich.

Jetzt unter des Asiaten Szepter werden

Wir sicherlich noch mehr ertragen müssen;

An seinem Joch zu rütteln ist nicht leicht.

Man wird als schlechte Sklaven uns behandeln,

Die noch bei jedem Fusstritt ihres Herrn

Demütig winseln müssen.

ALASTOR.

Nimmermehr.

Ich hoffe, dass das nie geschehen wird.

Ich hoff es sicher, und dass ich in meinen

Berechnungen mich selten täusche, weisst du.

Obwohl hier alle glauben, dass die Königin

Mit Freuden diese Ehe schliessen, oder doch

Ins Unvermeidliche sich fügen werde,

So wie das ganze Volk sich fügen muss,

Ich glaub es nicht: Niemals wird Tomyris

Dem Cyrus ihre Hand zum Bunde reichen.

THORAX.

Was? Seinen Antrag sollte sie verschmähen,

Das schwache Weib dem Mann entgegentreten?

Niemals wird sie hierzu den Mut besitzen!

ALASTOR.

O sie ist tapfrer, mutiger wie viele

Und klüger als die meisten Männer sind.

Wenn niemand auch des Cyrus Plan durchschaut,

Sie tut es sicher, und wenn niemand sonst

Den Mut besitzt, dem Perser zu begegnen,

Sie tut es sicher.

Und ihr befiehlt der Stolz es, dass sie lieber

Die Königin des kleinsten Landes bleibe,

Als dass sie die von Licht und Glanz umgebne

Gemahlin dieses Cyrus werde, oder was

Dasselbe heisst, des Königs erste Magd.

THORAX.

Du kennst die Perser, kennst die Königin,[17]

Und alles sei, wie du vorhergesagt.

Doch frag ich nun: was ist damit erreicht?

Der König wird den schweren Schimpf nicht dulden,

Er wird sein ganzes Heer zusammenraffen

Zum wilden Rachekrieg, zum Kriege, der

Uns unsre Saat vernichtet, unser Vieh uns raubt,

Der unsern ganzen Wohlstand untergräbt,

Der uns auf blutge Art zu Sklaven macht,

Und dem Besieger von so vielen Völkern

Wird es ein Leichtes sein, auch uns zu zwingen.

ALASTOR.

Du irrst du irrst dich sehr. Der grosse König,

Dem noch vor keiner Unternehmung bangte,

Vor dessen Nahen Völker zitterten,

Er fürchtet uns. Die Werbung war ein Mittel,

Dies Land hier, dessen Freiheit ihm ein Dorn

In seinen Augen ist, in seine Hand zu bringen.

Er fürchtete den Krieg und suchte friedlich

Zum Ziele seiner Wünsche zu gelangen.

Sieht er sich abgewiesen, muss er freilich

Zum Kampf sich rüsten, den er nicht gewollt.

Ein Land, von grossen Flüssen weit durchzogen,

Voll ausgedehnter Sümpfe und Moräste,

Wo schlechte Pfade, wenig Strassen sind,

Ein solches Land ist schwerlich zu erobern

Auch für das grösste und das stärkste Heer,

Und wenn die Massageten fest vereint sind,

So kann selbst Persiens mächtiger Monarch

Uns wenig Schaden, wenig Unheil bringen.

Schwer wird's ihm sein, den Knoten aufzulösen.

Jetzt greifen wir und unser Anhang ein –

THORAX.

Wie, du willst mit der Feinde Hülfe dich

Durch schmählichen Verrat – – –

ALASTOR.

Verrat, Verrat ...

Thorax, ich denke doch, wir kennen uns.[18]

THORAX.

Und brauchen uns – die Rache scheuet nichts


Finster.


Und sinken muss sie. – Fahre weiter jetzt.

ALASTOR.

Mit offnen Armen wird er die empfangen,

Die ihn allein aus der Verlegenheit

Befreien können. Und – Dienst gegen Dienst –

In einem Augenblick ist das erreicht,

Was wir in sieben Jahren nicht vermocht.

Sie wird gestürzt. Wir sind dem Namen nach

Satrapen Persiens, doch in Wirklichkeit

Die Herrn und Könige in diesem Land.

THORAX.

Ein schöner Plan, der uns zum Ziele führt,

Wenn alles wahr, was du vorausgesetzt.

ALASTOR.

Ich bin noch nicht zu Ende; aber komm jetzt,

Wir wollen diesen Platz verlassen.

Leicht würde jemand hier uns stören können.

THORAX.

Dass ich es nicht vergesse dich zu fragen,

Wie steht zu uns der Oberstkämmerer

Der Königin?

ALASTOR.

Er ist nicht unser Freund,

Und einmal sicher werden wir mit ihm

Zusammenstossen; feige ist er nicht.

Er wird uns seinerzeit zu schaffen machen.

Nicht bleiben wir von Kampf und Müh verschont

Bis uns das Schicksal unsre Arbeit lohnt.


Gehen ab.


Quelle:
George, Stefan: Phraortes, Graf Bothwell. Düsseldorf, München 1975, S. 16-19.
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