[9] TEUT.
Halt ein! Zurück! Wer wagt's mit mir?
Teut hat sich mit jähem Ruck neben Hiram auf die Felsenstufen, welche zum Moloch führen, geschwungen. Das Antlitz immer dem Moloch zugekehrt, faßt er Wolf bei der Hand, zieht ihn mit sich hinab und drängt so die Angreifenden langsam zurück. Dann kniet er am Fuß des Felsens nieder, schließt die Augen und breitet erregt die Hände zur Erde.
Da ist er, wie ich ihn geträumt!
Ist's nur ein Trugbild?
Er schaut auf.
Nein doch, nein!
Er erhebt sich.
Er ist noch da! – Längst sah ich ihn so,
In Schlaf und Wachen, aus Himmelshöh'n
Ein Flammenbild, von Wolkenschlangen
Umleuchtet rings, durchglüht von Sonnen –
WOLF.
Teut, sag, was soll's? Bist du von Sinnen?
Mehrst du die Not mit Knabenträumen?
Der König ist fern und schlichtet Streit,
Du bist sein Sohn, sag du für ihn:
Ins Meer zurück das Ungetüm!
In Thule ist dafür nicht Raum.
TEUT immer wie gebannt.
Ein Ungetüm dies Flammenbild?
Ein Ungetüm – du armer Tor!
All brennende Sehnsucht fand Gestalt,
Denn sieh, ein Gott stieg glühend nieder,
Erfüllungsschauer stärkt die Glieder,
Jed' Wesen sprengt er mit Gewalt –[9]
WOLF.
Gewalt? Dich wird Gewalt wohl wecken!
Du schüre nicht des Vaters Wut,
Sein Grimm geht her in grauem Schrecken
Und taucht den Wald in dunkles Blut –
TEUT.
Ah, Waffen, Waffen, den Gott zu schirmen!
HIRAM löst von seiner Seite ein seltsames, reich verziertes Schwert.
Du Jüngling, den Moloch sich erwählt,
Nimm hier das Schwert! Es ist gehärtet
In Molochs Glut und trägt den Blitz
Auf seiner Spitze! Führ' es treu!
TEUT ergreift die dargebotene Waffe.
Ha, Gotteswehr! Schreckenswaffe!
Es wächst der Stahl in meine Faust,
Strömt Kraft mir bis ins tiefste Mark,
Als hätt' ich tausend Heldenarme!
WOLF.
Den König holen wir!
TEUT.
Ruft ihn und sagt:
Vom Himmel ist ein Gott erschienen,
Wer herrschen will, muß ihm erst dienen!
WOLF.
Ha, Teut, befiehl du nur! Du tust,
Was keiner tut, was keiner kann!
Mit Wind und Wogen sprichst du laut,
Als raunten Worte Meer und Sturm –[10]
Genug der Torheit, hört auf mich:
Zum König, wer der Heimat treu!
Er geht mit einigen Kriegern ab. Die Zurückbleibenden sehen unschlüssig auf Teut. Dieser breitet die Arme weit gegen den Moloch und bedeckt dann mit beiden Händen ehrfurchtsvoll seine Stirne.
TEUT geheimnisvoll.
Senkt tiefer noch die Stirn zur Erde:
Sehnen und Schauen sind göttliches Eins!
Daß unser Leben geläutert werde,
Brecht auf, ihr tiefsten Quellen des Seins!
HIRAM mit zwingender Gewalt in Gebärde und Ausdruck.
Ins dunkle Leben mit den Gluten
Gieß', »Moloch«, deine Gaben aus!
Der Feinde Zahl muß vor dir bluten,
Uns schütztest du im Sturmgebraus!
VOLK fragend und murmelnd.
Uns schützte er im Sturmgebraus?
TEUT.
Ich glaub' ihn! Gibt's ein tiefer Wissen?
VOLK.
Er glaubt ihn!
TEUT.
Ich seh' ihn! Gibt's ein höher Glück?
VOLK.
Wir sehn ihn!
TEUT.
Er gibt aus nächt'gen Finsternissen
Dem Leben Licht und Glut zurück![11]
HIRAM groß.
Sein ist die Macht!
VOLK.
Sein ist die Macht!
HIRAM.
Es rasen Flammen
Dem frevlen Leugner ins Gebein!
Ihr glaubt ihn!
VOLK.
Wir glauben ihn!
HIRAM.
Schließt euch zusammen,
Und Moloch segnet euer Sein!
Teut stürzt auf beide Kniee nieder.
ALLE.
Und Moloch segne unser Sein!
Sie folgen überwältigt dem Beispiele Teuts.
HIRAM als ob er die Menge segne.
Der Gnaden Fülle wird euch laben;
Gesegnet soll der Glaube sein!
Dem Hunger Brot, dem Durste Wein,
Aus Hirams Hand nehmt Molochs Gaben.
Folgt mir! Aus übervollen Händen
Will Moloch euch den Segen spenden!
Alle erheben sich, mit Ausnahme Teuts und Theodas, und folgen Hiram in einer Art gierigen Taumels in die Höhle.
ALLE.
Und Moloch segnet unser Sein![12]
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