Du Volk, das du getaufet bist – Nimms wohl in acht

[101] 1.

Du Volk, das du getaufet bist

Und deinen Gott erkennest,

Auch nach dem Namen Jesu Christ

Dich und die Deinen nennest,

Nimms wohl in Acht und denke dran,

Wie viel dir Gutes sei getan

Am Tage deiner Taufe.


2.

Du warst, noch eh du wurdst geborn

Und eh du Milch gesogen,

Verdammt, verstoßen und verlorn,

Darum daß du gezogen

Aus deiner Eltern Fleisch und Blut

Ein Art, die sich vom höchsten Gut,

Dem ewgen Gott, stets wendet.


3.

Dein Leib und Seel war mit der Sünd

Als einem Gift durchkrochen,

Und du warst nicht mehr Gottes Kind,

Nachdem der Bund gebrochen,

Den unser Schöpfer aufgericht,

Da er uns seines Bildes Licht

Und herrlichs Kleid erteilet.


4.

Der Zorn, der Fluch, der ewge Tod,

Und was in diesen allen

Enthalten ist für Angst und Not,

Das war auf dich gefallen;

Du warst des Satans Sklav und Knecht,

Der hielt dich fest nach seinem Recht

In seinem Reich gefangen.


5.

Das alles hebt auf einmal auf

Und schlägt und drückt es nieder[102]

Das Wasserbad der heilgen Tauf,

Ersetzt dagegen wieder,

Was Adam hat verderbt gemacht

Und was wir selbsten durchgebracht

Bei unserm bösen Wesen.


6.

Es macht dies Bad von Sünden los

Und gibt die rechte Schöne.

Die Satans Kerker vor beschloß,

Die werden frei und Söhne

Des, der da trägt die höchste Kron;

Der läßt sie, was sein einger Sohn

Ererbt, auch mit ihm erben.


7.

Was von Natur vermaledeit

Und mit dem Fluch umfangen,

Das wird hier in der Tauf erneut,

Den Segen zu erlangen.

Hier stirbt der Tod und würgt nicht mehr,

Hier bricht die Höll, und all ihr Heer

Muß uns zu Füßen liegen.


8.

Hier ziehn wir Jesum Christum an

Und decken unsre Schanden

Mit dem, was er für uns getan

Und willig ausgestanden;

Hier wäscht uns sein hochteures Blut

Und macht uns heilig, fromm und gut

In seines Vaters Augen.


9.

O großes Werk! O heilges Bad,

O Wasser, dessengleichen

Man in der ganzen Welt nicht hat,

Kein Sinn kann dich erreichen!

Du hast recht eine Wunderkraft,[103]

Und die hat der, so alles schafft,

Dir durch sein Wort geschenket.


10.

Du bist kein schlichtes Wasser nicht,

Wies unsre Brunnen geben:

Was Gott mit seinem Munde spricht,

Das hast du in dir leben.

Du bist ein Wasser, das den Geist

Des Allerhöchsten in sich schleußt

Und seinen großen Namen.


11.

Das halt, o Mensch, in allem wert

Und danke für die Gaben,

Die dein Gott dir darin beschert

Und die uns alle laben,

Wenn nichts mehr sonst uns laben will,

Die laß, bis daß des Todes Ziel

Dich trifft, nicht ungepreiset.


12.

Brauch alles wohl, und weil du bist

Nun rein in Christo worden,

So leb und tu auch als ein Christ

Und halte Christi Orden,

Bis daß dort in der ewgen Freud

Er dir das Ehr- und Freudenkleid

Um deine Seele lege!

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 101-104.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Wach auf, mein Herz, und singe: Vollständige Ausgabe seiner Lieder und Gedichte
Erinnerungen 2014: Postkartenkalender - Christliche Lieder & Gedichte
Wach auf, mein Herz, und singe. Gesamtausgabe seiner Lieder und Gedichte
Gedichte Von Paulus Gerhardt (German Edition)

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon