|
[159] 1.
O Gott, mein Schöpfer, edler Fürst
Und Vater meines Lebens,
Wo du mein Leben nicht regierst,
So leb ich hier vergebens.
Ja lebendig bin ich auch tot,
Der Sünden ganz ergeben,
Wer sich wälzt in dem Sündenkot,
Der hat das rechte Leben
Noch niemals recht gesehen.
2.
Darum so wende deine Gnad
Zu deinem armen Kinde
Und gib mir allzeit guten Rat,
Zu meiden Schand und Sünde;[159]
Behüte meines Mundes Tür,
Daß mir ja nicht entfahre
Ein solches Wort, dadurch ich dir
Und deiner frommen Schare
Verdrießlich sei und schade.
3.
Bewahr, o Vater, mein Gehör
Auf dieser schnöden Erde
Vor allem, dadurch deine Ehr
Und Reich beschimpfet werde;
Laß mich der Lästrer Gall und Gift
Ja nimmermehr berühren,
Denn wen ein solcher Unflat trifft,
Den pflegt er zu verführen,
Auch wohl gar umzukehren.
4.
Regiere meiner Augen Licht,
Daß sie nichts Arges treiben,
Ein unverschämtes Angesicht
Laß ferne von mir bleiben;
Was ehrbar ist, was Zucht erhält,
Wonach die Englein trachten,
Was dir beliebt und wohlgefällt,
Das laß auch mich hochachten,
All Üppigkeit verlachen.
5.
Gib, daß ich mich nicht lasse ein
Zum Schlemmen und zum Prassen,
Laß deine Lust mein eigen sein,
Die andre fliehn und hassen.
Die Lust, die unser Fleisch ergötzt,
Die zeucht uns nach der Höllen,
Und was die Welt für Freude schätzt,
Pflegt Seel und Geist zu fällen
Und ewiglich zu quälen.
[160]
6.
O selig ist, der stets sich nährt
Mit Himmels Speis und Tränken,
Der nichts mehr schmeckt, nichts sieht und hört,
Auch nichts begehrt zu denken,
Als nur was zu dem Leben bringt,
Da man bei Gotte lebet
Und bei der Schar, die fröhlich singt
Und in der Wollust schwebet,
Die keine Zeit aufhebet.
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Ein lange zurückliegender Jagdunfall, zwei Brüder und eine verheiratete Frau irgendwo an der skandinavischen Nordseeküste. Aus diesen Zutaten entwirft Adolf Müllner einen Enthüllungsprozess, der ein Verbrechen aufklärt und am selben Tag sühnt. "Die Schuld", 1813 am Wiener Burgtheater uraufgeführt, war der große Durchbruch des Autors und verhalf schließlich dem ganzen Genre der Schicksalstragödie zu ungeheurer Popularität.
98 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro