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[28] In der Entfernung sieht man Zelten unter den Bæumen.
Pyrhus, Arates.
PYRHUS. Wie sehr bin ich ungedultig, meinen Sohn zu sehen. Die Jahre der Gefahr sind nun vorbey. Achtzehn Jahre, so befahl das Orakel, soll ich ihn unbekannt bey den Hirten lassen. Und dies ist nun der achtzehnde Fryhling, seit dem ich ihn versandt habe; ein junges Kind, schœn, wie man die Liebes- Gœtter mahlt. Ich hoffe, an ihm einen Sohn zu finden, der die sanften Eindryke von Tugend und Billigkeit unverderbt behalten hat.
ARATES. Ich selbst bin ungedultig, unsern Prinzen[28] zu sehen. Wie sehr sind wir glyklich, wenn wir beyde unsre Kinder in erwynschtem Zustand finden! Ich habe, du weist es, auf Eingeben eines Traumes, meine Tochter in diese Gegenden gebracht; es ist nun sechszehn Jahre. Da ich, ehe ich mit dir zu Schiffe gieng, meinen Haus-Gœttern opferte, da gaben sie mir ein zweytes Gesicht, das meinem Hause Freude vorher verkyndigt.
PYRHUS. Die Gœtter geben, dass alles beglykt sey! Zwar vielleicht wird er ungern diese Ruhe in dem Schoosse der einfæltigen Natur, und diese stillen Schatten verlassen. Die Eindryke, die diese Anmuths-volle Gegend auf mich macht, sind so lieblich, dass es scheint, meine Seele empfind es, dass der Aufenthalt bey der einfæltigen schœnen Natur unserm Wesen der angemessenste[29] und zutræglichste sey; sie empfindet hier dasjenige, was man empfindet, wenn man nach langer beschwerlicher Entfernung den væterlichen Boden wieder findet.
ARATES. In der That, unsre Lebens-Art ist so sehr von der ersten Einfalt unterschieden, und hat so viel fremdes an sich genommen, dass es wunderbare Eindryke auf den machen muss, der mit einmal in dieselbe hineingefyhrt wird, und nicht von seiner ersten Jugend an, jene edle Einfalt verkennen gelernt hat.
PYRHUS. Es ist nun schon eine Stunde, dass ich ihn erwarte; dort kœmmt jemand durchs Gebysche, ein schœner Jungling; so schœn, dass in mir der Wunsch entsteht, dass der mein Sohn seyn mœchte. Er kœmmt gerade auf uns zu.[30]
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Evander und Alcimna
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