Vierter Auftritt.

[40] Evander, ein junger Herr.


EVANDER. Gœtter! Das ist wunderbar, ich weiss nicht, ob ich wache oder træume, ich bin ganz verwirrt. Am liebsten mœcht ich wol zu meiner Alcimna gehn, und ihr sagen, was mit mir vorgegangen ist. Allein, ha! da kœmmt schon jemand. Wer ist der, der so zu mir herhypft?

JUNGER HERR. Erlaube, mein Prinz! mit dem feurigsten[40] Eifer dir meine Freude zu bezeugen.

EVANDER. Was freut dich so sehr, mein Freund?

JUNGER HERR. Dass endlich der strenge Wille des Orakels erfyllt ist, und du aus der niedrigen, gleichfœrmigen, ekelhaften Lebens-Art erlœsst wirst, in der du durch ein zu strenges Schiksal deine erste Jugend verlohren hast.

EVANDER. Den Gœttern seys gedankt, die es so gefygt haben. Ich werde die Anmuth meiner jugendlichen Tage nimmer vergessen. Diese angenehmen Geschæfte! Dieso unschuldigen Freuden!

JUNGER HERR. Unschuldige Freuden! Ha! Ha! Ha! O Prinz! du weist noch nicht was Freuden sind. Komm in die feinere Welt, da wirst[41] du sie finden. O! ich wyrd es den Gœttern nicht danken, wenn sie mich so zu den Hirten verweisen wollten.

EVANDER. Der Aufenthalt in diesen angenehmen Gegenden ist dir also sehr veræchtlich.

JUNGER HERR. In ausgesuchter Gesellschaft mag es da wol angehen!

EVANDER. Die schœne abwechselnde Natur macht dir also keine Freude.

JUNGER HERR. Die mœgen angenehm seyn, wenn man keine bessern kennt.

EVANDER. Wenn das Morgen-Roth die schœne Gegend erhellet, und dann jede Pflanze, jeder Vogel neues Leben gewinnt, da empfindest du keine Freude?[42]

JUNGER HERR. O das Morgen-Roth! das hab ich noch niemals gesehen.

EVANDER. Dich wird kein Hirt um deine Freuden beneiden.

JUNGER HERR. Das glaub ich wol, sie sind fyr die feinen Freuden nicht gemacht.

EVANDER. Aber sag mir noch: Wer bist du?

JUNGER HERR. Ich bin ein junger Herr vom Hofe.

EVANDER. Und was sind deine Geschæfte da?

JUNGER HERR fyr sich. Ich glaube, er meynt, man mysse wenigstens hinterm Pflug gehn. Zu Evandern. Meine Geschæfte! sind præchtige Kleider, Gastereyen, Danzen,[43] Erfindung neuer Freuden, bestændige Besuche bey unsern Schœnen, – – –

EVANDER. Sonst nichts?

JUNGER HERR. Sonst nichts, Gœtter! Was sollt ich auch sonst zu thun haben?

EVANDER. Wir hier. Wir sind einfæltig; wir heissen Geschæfte, das, womit wir uns oder andern nuzen; und auch diese geben uns Zufriedenheit und Freude; wir lieben die nyzliche Biene mehr, als den Schmetterling; er mag auch noch so schœn gepuzt seyn.

JUNGER HERR fyr sich. Gœtter! wie niedrig denkt unser Prinz! wie riecht er nach der Herde! Zu Evandern. Leuthe von niedrerer Art mœgen sich ihr Leben immer sauer werden lassen; wir Leuthe von Stand geniessen[44] unser Leben. Bestændige Abwechslungen lassen dergleichen schwer-fælligen Betrachtungen keinen Zutritt. Es mœgen sich andre bey den œffentlichen Spielen ihre Glieder verrenken, und auf der Renn-Bahn ihr Leben wilden Pferden anvertrauen; Leuthe von meiner Lebens-Art lieben ihren Leib mehr. Wir haben das Vorrecht, dass unser Leben ein angenehmes Myssig-seyn ist. Wir flattern von einer Freude zur andern, und von einer Schœnen zur andern. Ich habe unsre Schœnen schon alle in meinem Neze gehabt, und keine hat mich treu behalten kœnnen.

EVANDER. So myssen sie alle hæsslich, oder du must so unempfindlich seyn, wie die Pflanzen im Winter.

JUNGER HERR. Nichts weniger als das. Sie sind schœn[45] wie die Gratien, und ich, ich bin zu empfindlich fyr alle Reize, als dass ich ein Mædchen allein lieben kœnnte. Diese Treue ist in der feinen Welt ein læcherlich Ding; immer fyr das gleiche Mædchen zu seufzen – – Ha! Ha! Ha! Ich war vor verschiedenen Jahren einmal so verliebt, aber ich weiss izt diese læcherliche Leidenschaft zu yberwinden. Das Mædchen war auch schœn wie die Venus. Beym Jupiter! ich habe sie auch ein ganzes Jahr lang geliebet. Ha! Ha! Ha!

EVANDER. O einfæltiger Mensch! Wisse dich immer gross mit deiner Kunst, das beste Glyk, das die Gœtter uns gewæhren, aus deinem Herzen zu verbannen, und dich selbst um die besten Freuden zu betriegen. Du kœnntest dich eben so leicht bereden, die sysse Birne sey bitter, die Rose gebe widrige Geryche.[46]

JUNGER HERR. Du wirst, mein Prinz! diese wunderliche Denk-Art bald selbst læcherlich finden, die eine so niedrige Erziehung dir gab.

EVANDER. Das wollen die Gœtter verhyten! Eh wird der Apfel-Baum zum unnyzen Dorn-Gebysch werden.

JUNGER HERR. Ich muss gehen, mein Prinz! lass mich dir empfohlen seyn.

EVANDER. Du magst immer gehen; deine Reden gefallen mir nicht.

JUNGER HERR indem er weggeht. O Gœtter! Wie er læcherlich ist! wie einfæltig! Schade, dass man ihn der Herd entzieht![47]


Quelle:
S[alomon] Gessner: Schriften. Band 3, Zürich 1762, S. 40-48.
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