Fynfter Auftritt.

[48] Evander, ein Officier von der Leibwache des Fyrsten.


EVANDER. Ist dieser læcherliche Mensch weg? Ich will diesen da fragen wer es ist, der so bewafnet dahergeht. Wer bist du, mein Freund! mit so fyrchterlichem Aussehen? Was soll der Speer in deiner Hand, und was ist das an deiner Seite?

OFFICIER. Mein Schwerdt, Prinz!

EVANDER. Aber wozu schleppest du so fyrchterliches Geræthe bey dir, in der Zeit der Freude? Ich wyrde des Mannes lachen, der den ganzen ruhigen Winter alles sein Geræthe herumschleppen wollte, das er im Sommer seinen Garten und sein Feld zu bauen braucht.[48]

OFFICIER. Ich bin der erste von der Leibwache des Fyrsten, deines Vaters.

EVANDER. Sind denn viele so, und immer mit solchem Geræthe versehen?

OFFICIER. Ja, es sind viele, und immer mit solchem Geræthe versehen. Ha! Ha! – – – Du must mir verzeihen, ich muss lachen.

EVANDER. Ihr mysst also in einem wilden gefæhrlichen Land wohnen.

OFFICIER. Warum, mein Prinz?

EVANDER. Darum, weil ihr immer so auf eurer Hut seyn mysst. Ihr werdet viel Wœlfe und andre reissende Thiere da haben; bey uns haben wir diese Sorgfalt nicht nœthig,[49] es ist nur selten, dass sie unsre Herden beschædigen; so ein Land ist fyr die Herden nicht gut.

OFFICIER. Wir leben in einem Land, wo man dergleichen Thiere nur dem Namen nach kennt.

EVANDER. Ihr seyt also sehr sorgfæltig, dass ihr so ohne Noth euern Fyrsten bewachet.

OFFICIER. Ja, das ist auch nicht ohne Noth, Prinz! Es hat schon mancher Fyrst durch sein eigen Volk sein Leben verlohren. Wir myssen das Volk in Furcht behalten, dass es nicht in allgemeinem Aufruhr gegen seinen Fyrsten aufsteht.

EVANDER. Aber das muss ein bœses Volk seyn, bey dem ich nicht leben mœchte. Ists nicht so, wie wenn man den Vater gegen seine[50] eigenen Kinder schyzen mysste? Oder giebt es vielleicht so bœse Fyrsten, dass sie ihr Volk zu solchem Zorn aufreizen?

OFFICIER. Freylich; und was hat das Volk auch da zu sagen? Es sind viele Fyrsten, die keine andern Geseze, als ihren eigenen Willen und ihre Leidenschaften haben; die mit dem Volk und mit seinem Vermœgen so umgehen, dass es endlich, zur Raserey gebracht, frech genug ist, seinen Fyrsten umzubringen.

EVANDER. O Gœtter! In was fyr ein Land wollt ihr mich fyhren! Und ihr seyd also diejenigen, die, wenn ein Fyrst bœse ist, das geplagte Volk in Furcht erhalten. Mir schauert; ich versteh die abscheuliche Sache nicht. Es ist also, wie wenn ein wytender Wolf unsre Herden wyrde anfallen,[51] und es wæren Leuthe da, die sich anmassten, diejenigen abzuhalten, die das ihrige retten wollten. Aber mein Vater wird euch doch nicht darum bey sich haben.

OFFICIER. Nein; aber wir sind auch nicht allein darum da. Wenn ein Fyrst sein Land erweitern will, dann ziehen wir in das benachbarte Land; dann kommen eben so viele oder noch mehr eben so bewafnete Mænner; man steht in guter Ordnung gegen einander, und schlægt tod, so viel man kann; wer am tapfersten gewesen ist – –

EVANDER. Um Erlaubniss: Wer sind die tapfersten? Wen nennt ihr so?

OFFICIER fyr sich. Gœtter! Ich muss lachen; ich muss wie mit einem Kind mit ihm reden; er weiss auch gar nicht, was gross[52] und herrlich ist. Zum Prinz. Wer am meisten Feinde getœdet hat; wer am meisten dem Feind hat Abbruch thun kœnnen, dessen Bild wird dann zum ryhmlichen Denkmal in Erz gegossen, oder in Marmor gehauen.

EVANDER. Das ist abscheulich. O! ich mag weiter nichts wissen; mir schauert nur eins noch; mein Vater ist doch so grausam nicht.

OFFICIER. Nein, er ist kein kriegerischer Fyrst; unter ihm ist bey unserm Ehren-vollen Stand wenig Ruhm zu gewinnen.

EVANDER. Und du beklagst es noch? O Gœtter! Ruhm und Ehre erlangt man, wenn man beleidigte Menschen erwyrgt; bey uns wyrde man denjenigen verabscheuen, der[53] seinen Nachbar auf seinem Feld yberfiele, um das fyr sich zu haben; und das ist doch gegen jenem ein kleines.

OFFICIER. Ja, im Kleinen geht das auch nicht an; so einer muss ohne Gnade aufgehangen werden.

EVANDER. O ich verlasse dich! was du mir da sagst, erfyllt mich mit Abscheu; ich will niemand mehr fragen, niemand mehr sehen. Aber, Gœtter! da steht schon wieder ein andrer.


Quelle:
S[alomon] Gessner: Schriften. Band 3, Zürich 1762, S. 48-54.
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