[79] EVANDER in fyrstlichem Kleid. Wie sehr werd ich aller Orten aufgehalten; was das fyr ein unruhiges Gewimmel[79] ist! Wie lange ist es schon, dass ich meine Alcimna nicht gesehen habe! Schon ists Abend; und wer weiss, wie lange sie schon wieder an der Quelle mich erwartet hat; ich eilte zu spæt hin, und suchte sie umsonst da. Ich suchte sie in allen Schatten, die wir unsrer Liebe geheiligt haben, umsonst. Ach dass ich sie nicht finden kann! Weiss sie wol, was in der Zeit mit mir vorgegangen ist? Weiss sie es nicht? Wie sehr verlangt mich dann, ihr alles zu sagen; ihr zu sagen, dass ich nur allein durch sie glyklich seyn kann! Ja, Geliebte! nur durch dich; in deinem Arm will ich mich aus der so wunderbaren Verwirrung erholen. Zwar mein Vater weiss noch nicht, dass ich liebe; aber warum sollte er mich auch hindern, das schœnste, das beste Mædchen zu lieben? Das thut er nicht. Er wird die Schwyre nicht brechen,[80] die ich ihr an jedem Altar der Gœtter schwur; denn unter allen von fyrstlichem Hause Gebohrnen ist keine liebens- wyrdig wie sie. Ich will sie suchen; dann soll sie ihr festliches Kleid anziehen, das weiss ist wie Schnee, und einen frischen Kranz in die geflochtnen Haare winden; dann will ich sie vor meinen Vater fyhren, wills ihm sagen, wie oft ich vor den Gœttern ihr geschworen, dass ich sie immer lieben werde. Aber wird sie mir auch willig folgen; wird es ihr nicht schmerzlich seyn, diese stillen Schatten zu verlassen? doch sie liebet mich ja, und die Begierde dem Geliebten zu folgen, yberwindet jedes andre Verlangen. Izt will ich hingehn; wie wird sie erstaunen, mich in dieser Pracht zu sehen! Wie viel erfinden die Menschen? Was fyr Pracht hab ich in meines Vater Gezelt gesehen? Kœnnen,[81] die Menschen so viel bedœrfen? Wie wenig haben wir hier nœthig, und doch sind wir zufrieden; ich habe von dem allem nichts gemisst, und doch scheints diesen nothwendig zu seyn. Aber kann der auch glyklich seyn, dem so vieles nœthig ist? Bisher waren meine Kleider mir bequem und schœn, und ein Ziegen- Fell, ganz weiss oder schœn geflekt, stand schœn um meine Schultern aber diese da schmyken sich so bunt wie die Wiesen im Fryhling. Ich fyrcht, ich fyrcht, die Tage der Ruhe und der sanften Freude seyn bey mir vorybergegangen. Man ruft mich zu grossen Geschæften; die Gœtter mœgen mir beystehn! Wie ich sehe, so sind diese Menschen ganz anders beschaffen; sie suchen etwas, das sie Glyk und Freude heissen, auf wunderlichen Wegen; hier finden wirs, es ist bey uns, ohne dass wirs gesucht[82] haben. Ja, ihr stille Schatten, ihr sanft-rieselnde Quellen, liebliche Gegenden, in denen die Jahre meiner Jugend so sanft vorbeyflossen, euch verlass ich an ein Leben, das ich nicht kenne; ihr Herden, die ich mit wachsamer Sorge pflegte, euch verlass ich, um, wie sie sagen, einst yber zahlreichere Herden von Menschen zu herrschen, die ihr Glyk mir anvertrauen; das ist schœn, es in seiner Macht zu haben, so vieler Glyk zu besorgen; aber wird diese Last meinen Schultern nicht zu schwer seyn? O ihr angenehmsten Tage! Euch werd ich nimmer vergessen. So oft ein Fryhling zurykkœmmt, will ich diese Gegenden besuchen; und du, Alcimna, begleitest mich dann; dann wollen wir an jeder Stætte, die uns mit angenehmen Schatten gekyhlt hat, den Gœttern opfern. O Alcimna! ich eile,[83] izt eil ich in deinen Arm, bey dir erhollt sich mein vor Verwirrung pochendes Herz, bey dir – – –
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Evander und Alcimna
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