Fynfter Auftritt.

[84] Pyrhus, Evander.


PYRHUS. Mein Sohn! Es ist so lange, seit ich dich gesehen habe; warum hast du so lange dich von mir entfernt?

EVANDER. Ich besuchte noch einmal jede der stillen Gegenden, die ich izt verlassen muss.

PYRHUS. So verlæssest du sie denn ungern? Sag mir: Haben diese Reichthymer, dieses Glyk, mit dem die Gœtter dich izt beschenkt haben, fyr dich keinen Reiz?

EVANDER. Diese schimmernde Pracht sezt mich[84] zwar in Erstaunen; dein Gezelt glænzt fast so bunt, wie eine Thau-benezte blumigte Wiese an der Morgen-Sonne glænzt, doch so schœn ists nicht. Ich habe tausend Sachen gesehen, deren Namen und deren Gebrauch mir unbekannt sind. Aber sage mir, mein Vater: Wird ein Fyrst immer von so einer Menge verdriesslicher Leuthe umringt?

PYRHUS. Wo Macht und Reichthymer sind, da versammeln sich immer Gute und Bœse.

EVANDER. Es ist also, wie wo ein Baum blyhet, da sumst mit den Bienen auch das Ungeziefer her?

PYRHUS. So ists.

EVANDER. Aber das ist mir verdriesslich, dass sie mich immer umschwermen wollen, um[85] mir Dienste zu thun, die ich nicht nœthig habe. Ich kann diese Unterthænigkeit nicht leiden, als wær ich nicht ein Mensch wie sie sind.

PYRHUS. Mein Sohn! Das sind die Vorrechte der Fyrsten, die nur schlecht die Myhe belohnen, die ein solcher auf sich nihmt, ihre Geseze zu verwalten und ihr Wol zu besorgen.

EVANDER. Mein Vater! Aber wenn sie einen aus ihnen zu ihrem Fyrsten wehlen, so werden sie den wehlen, der der weiseste und der beste ist; darum werden sie auch dich gewehlt haben. Aber wie sind sie thœricht, da sie sagen, ich werde einst yber sie herrschen, noch ehe sie wissen, ob ich weise und gut bin. Wird einer seinen Weingarten einem zu bauen yberlassen, von dem er nicht weiss, ob er die Pflege des Weinstoks versteht?[86]

PYRHUS. Das ist nun einmal so angenommen. Du wirst noch unzæhlige Sachen zu fragen haben. Aber sage mir, du scheinst mir so unruhig, als wenn du mir unwillig nach meinem Palaste folgtest?

EVANDER. Ich folge dir willig, mein Vater! wenn nur – – –

PYRHUS. Wenn nur?

EVANDER. Wenn nur Alcimna, ach!

PYRHUS. Du seufzest, mein Sohn! Fyr sich. Er weiss die Geschichte seiner Alcimna noch nicht; ich will ihn mit dem angenehmsten Entzyken yberfallen.

EVANDER. Wenn nur Alcimna mir folgen darf![87]

PYRHUS. Alcimna! Ich habe von deiner Liebe gehœrt, mein Sohn! aber erst sollst du des Arates Tochter, sehen, die hab ich zu deiner Gemahlin bestimmt.

EVANDER. Ach Vater!

PYRHUS. Wie sehr wyrdest du meine Wynsche betriegen, wenn du mir unwillig gehorchtest.

EVANDER. Ach Gœtter! wie bin ich unglyklich!

PYRHUS. Du darfst sie nur sehen, um sie zu lieben; sie ist schœn wie der Tag.

EVANDER. O mein Vater! Erlaube, – – ach mein Vater! Unmœglich werd ich – –

PYRHUS. Still! Da kœmmt ihr Vater.[88]


Quelle:
S[alomon] Gessner: Schriften. Band 3, Zürich 1762, S. 84-89.
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