An die Kritik

[148] Wohl flammte im Herzen mir fort und fort

Für Lilia die glühendste Liebe,

Doch folgt' ich als einstiger Deutscher trotzdem

Meinem Kenntniß verlangenden Triebe.


Und ich sahe und hörte und forschte und nahm

Notiz mir von Jenem und Diesem,

Und theil' es hier mit in gefälligem Styl

Und in möglichst con- und präcisem.


Und wie Du bei Manchem auch schütteln magst

Dein sceptisches Haupt, Recensente,

Mein königlich Wort darauf: Alles ist wahr!

Nicht das Kleinste ist Puff oder Ente.
[148]

Und stieße der pureste Nonsens Dir auf,

Du Erdenklos, der Du gewonnst das

Weltweisheits-Diplom, so bedenke, daß hier

Weder Logik vorhanden noch sonst was.


Daß Alles und Alles sich hier widerspricht,

Und drum Spott auch und Hohn unvermeidbar;

Daß die höcheste, tiefeste Philosophie

Von dem Blödsinne kaum unterscheidbar.


Und daß just wenn man staunt ob des göttichen Geist's,

Der der fernesten Sterne Gewicht wägt,

Uns die aufgeblasenste Fach-Unvernunft

In demselben Moment in's Gesicht schlägt!


O, bedenke Das gütigst, o, Rezensent

Und des Doctor-Diplomes Besitzer,

Und beweise nicht weise, mein Buch sei nur Lug

Und voll gräßlicher logischer Schnitzer.


Und thust Du es doch, nun so nennst Du doch nicht

Den Inhalt kurzweg: Larifari![149]

Wie Gewisse, die sich auf den Standpunkt stell'n,

Den erhab'nen des Nil admirari.


Ach, Nichts nicht schmerzt uns Poeten so sehr,

Als wenn mit 'nem Werke wir Wunder

Was zu bringen geglaubt und dann hinterher ein

Kritiküschen es wegwirft wie Plunder.


Denn, ach! in die Thräne, geweint um uns selbst,

Mischt sich auch noch die um den Richter,

Der (vom Geist abgesehn) fünf Minuten verlor

Um zu werden des Werkes Vernichter!


Doch was schwatz' von Kritik ich und werde mit ihr

Fast wie'n Komödiant so krakeelig!

Ich, der ich schon längst, was in Deutschland man wird

Wenn man unter der Erde ist: selig!


Was kümmert es mich, ob das Stäubchen Herr X.

Auf dem Staubkorne Erde mich tadelt!

Mich, der das Tellurische ab sich gestreift

Und deß Psyche schon kosmisch geadelt!
[150]

Mich, dessen Gefühl und deß Denken so rein,

So ganz absolut und total ist,

Daß sein Ruhm auf 'nem einzelnen lumpigen Stern

Ihm totaliter schaal und egal ist!


Nein, nein! und selbst wenn durch dieses Gedicht

Sich in Deutschland mein Ruf noch erhöhte,

Und ich würde verherrlicht in ähnlicher Art

Wie Schiller, Pepita und Göthe:


Es bewegte mein Ich doch, mein seliges, kaum

Wie den türkischen Siebenten Himmel

Ein zur Anbetung lieblich einladendes

Christkirchliches Glockengebimmel!


Und so theil' ich im nächsten Kapitel denn mit –

Da dieses (deß Raum doch begrenzt ist)

Durch unnützes Plaudern (wie drück' ich es aus?)

Ver-kammert und ver-conferenzt ist –
[151]

Um Lob und Kritik unbekümmert all Das,

Was im Merkbuch bis heute notirt zwar,

Doch bishero noch nicht in der Schöpfung der Welt

(Hier in meiner Verkehrten) fixirt war.

Quelle:
Adolf Glassbrenner: Die Verkehrte Welt. Berlin 1862, S. 148-152.
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Die Verkehrte Welt: Eine Komisches Gedicht (German Edition)

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