Armes Bayern!

[109] Wohl in jedem deutschen Lande

Steht noch eines Sängers Haus,

Singend seines Volkes Schande

Fliegen seine Lieder aus,

Und es theilen alle Herzen

Sangbegeistert seine Schmerzen

Nur; so viel in Dir auch leiern,

Du bist öde, kalt und leer!

Armes Bayern, armes Bayern,

Du hast keinen Dichter mehr!
[110]

Wohl schaut man von Deinen Bergen

In ein blühend Gartenland;

Doch von Deines Königs Schergen

Sind die Sänger draus verbannt!

Prangst Du auch in grünem Kleide,

Steckst du doch in tiefem Leide,

Denn nur von bezahlten Schreiern

Tönt es widrig ringsumher!

Armes Bayern, armes Bayern,

Du hast keinen Dichter mehr!


Aus dem kalten Steine baust Du

Dir kein warmes Lebenshaus;

Aus dem todten Steine haust Du

Große Todte Dir nur aus;

Leichen prangen dort in Galla

In dem Grabmal der Walhalla!

Aller Jugend, allem Neuern

Droht dies stumme Geisterheer;

Armes Bayern, armes Bayern,

Du hast keinen Dichter mehr!
[111]

Aus dem Fett der Mönche lodert

Nicht die Flamme Deines Ruhms,

Und Dein Christenthum vermodert

In dem Sumpf des Pfaffenthums;

Aller Lichtesfeinde Größter

Baute die verfluchten Klöster,

Daß sich Deinem Fluge bleiern

Anhängt der Jesuiten-Heer!

Armes Bayern, armes Bayern,

Du hast keinen Dichter mehr!


Weh! in deinen Kammern dreschen

Schau' ich Deine Besten Stroh,

In dem Hopfensaft erlöschen

Jedes heiße Ach und O,

Dumpfer werden Deine Geister,

Deine Zwingherrn dreist und dreister!

Vor dem Bild des allzutheuern

Königs kniest Du seufzerschwer:

Armes Bayern armes Bayern,

Du hast keinen Dichter mehr!
[112]

Ob sie Deinen Namen schreiben

Mit Ipsilon oder J,

Wirst Du doch bei solchem Treiben

Deiner Ahnen würdig nie!

Ob des röm'schen Knecht's Gemeinheit

Schreit nach Deutschheit und nach Einheit,

Hetzt er deutschen Geist, den freiern

Doch mit seinem Mordgewehr:

Armes Baiern, armes Baiern,

Du hast keinen Dichter mehr!


Mit den allerschönsten Typen,

Auf dem saubersten Papier.

Reich versehn mit Participen

Gab dein König Ludwig Dir

In die fleh'nd gestreckten Hände

Seiner Dichtungen drei Bände;

Für Sechs Gulden ein'ge Dreiern

Gab sie Allerhöchstselbst – Er!

Armes Baiern, armes Baiern,

Du hast keinen Dichter mehr!

Quelle:
Adolf Glassbrenner: Verbotene Lieder, Bern 1844, S. 109-113.
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