Opposition

[76] Da nun die Welt die Freiheit liebt,

Die ganze, weite Welt!

Da muthig sich das Volk erhebt,

Und Kett' auf Kette fällt;

Da die verfluchte Sclaverei

Auf immerdar verschwand,

Und, frei vom kalten Leichentuch,

Es grünt und blüht im Land:

So sind nicht Wir,

So seid es Ihr,

Gewürm am Thron,

Ihr seid Opposition!
[77]

Da jedes große, schöne Herz

Für's Wohl des Volkes schlägt,

Und schale Mittelmäßigkeit

Nur Eure Fahne trägt;

Da überall, durch Stadt und Land,

Der Geist der Freiheit zieht,

Und das Gespenst der Tyrannei

Vor seinem Schwerte flieht:

So sind nicht Wir,

So seid es Ihr,

Gewürm am Thron,

Ihr seid Opposition!


Da aus der Asche der Gewalt

Der Phönix Geist erstand,

Nach seinem kühnen Sonnenflug

Sich Aller Blick gewandt;

Da Poesie, Humor und Kunst

Euch höhnen, wenn Ihr krächzt;

Als Lerchen jubiliren, da

Der kranke Adler ächzt:[78]

So sind nicht Wir,

So seid es Ihr,

Gewürm am Thron,

Ihr seid Opposition!


Da nun der Mensch zum Menschen ward

Aus schnödem Fürstenknecht;

Da stolzer er nun trägt das Haupt,

Und fordert keck sein Recht;

Da's nun so ist, so wie es ist,

Wie's ändert kein Geschwätz:

So sind die Frei'n loyal, loyal

Dem göttlichen Gesetz!

So sind nicht Wir,

So seid es Ihr,

Gewürm am Thron,

Ihr seid Opposition!

Quelle:
Adolf Glassbrenner: Verbotene Lieder, Bern 1844, S. 76-79.
Lizenz:
Kategorien: