Schiller's Lied an die Freiheit

[42] Freiheit, schöner Götterfunken!

Sang das deutsche Dichterherz.

Doch da fühlten die Hallunken

Schon des Feuertodes Schmerz.

Solcher Funke muß entflammen,

Haben weislich sie gedacht.

Und in Trümmer stürzt zusammen

Unsre Größe, unsre Macht!


Chor.


Freude! haben wir gesungen,

Doch es ahnte das Gemüth,

Als der Funke dort erglüht,

Daß der Freiheit er entsprungen.
[43]

Und den schönen Götterfunken

Löschten die Verruchten aus;

Feuersicher, siegestrunken

Saßen sie im stolzen Haus.

Und als rings in armen Gauen

Freude, Freude! es erklang,

Riefen sie, die Falschen, Schlauen,

Höhnisch lachend: Gott sei Dank!


Chor.


Freude! sangen wir in Thränen,

Freude! in dem tiefsten Leid.

Unser Lied war Fröhlichkeit,

Wenn wir knirschten mit den Zähnen.


Freiheit! Freiheit! soll's erklingen,

Unser deutsches Lied fortan,

Und wer's also möchte singen,

Wie's die Tyrannei ersann:[44]

Fort, hinaus mit dem Hallunken,

Der noch vor Hallunken kniet!

Freiheit, schöner Götterfunken!

Heißt das ew'ge deutsche Lied.


Chor.


Unsern Fluch auf die Vernichter!

Schwört's bei diesem goldnen Wein,

Dem Gelübde treu zu sein!

Schwört es bei dem Sternenrichter.


Sternenrichter! Feuertrunken

Hat der Sänger das erdacht,

Als der Freiheit Götterfunken

Seine Liebe angefacht.

Der in immer naher Ferne

Alle Menschen wollte frei:

Er wird richten auch die Sterne

Auf der Brust der Tyrannei!


[45] Chor.


Freiheit! Freiheit laßt uns singen!

Wenn der Funke sprüht und glüht,

Wird der Freude schönstes Lied

Bald aus allen Herzen klingen.

Quelle:
Adolf Glassbrenner: Verbotene Lieder, Bern 1844, S. 42-46.
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