Die ungläubige Frau

[171] Unbeständig ist er nicht

Dieser zärtliche Geliebte,

Dieser über mich Betrübte,

Der von meinem Sterben spricht,

Unbeständig ist er nicht!

Aber daß er, stürb' ich, nimmer

Trost empfände, daß er immer

Meine Liebe

Noch bedächte, traurig immer

Witwer bliebe,

Daß bei meiner Sterbensnot

Jammer ihm sein Herz zerschlüge;

Daß er meinen frühen Tod

Nicht ertrüge;

Daß er einsam, bitterlich

Mich beweinte, daß er sich

Gleich zu Tode grämte;

Daß auch seine Männlichkeit[171]

Solcher seltnen Zärtlichkeit

Sich nicht schämte,

Wie er da so zärtlich spricht,

Das – glaub' ich – ihm nicht!

Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Ausgewählte Werke, Leipzig 1885, S. 171-172.
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