An die Sonne

[37] Sonne! alle Menschenzungen

Loben deine goldne Stralen.

Bäche, wo sich Nimfen baden,

Wo sie sich am Ufer troknen;

Thäler, wo sich Hirt' und Heerden

Deiner Glut entgegen lagert;

Berge, wo von dir erwärmet

Eiß und Schnee in Thäler rinnet;

Klippen, wo an kalten Eichen

Ziegen hangen, Gemsen klettern;

Fluren, wo Narzissen blühen,

Wo dein Stral Violen wärmet,

Danken dir für deine Stralen:

Aber ich kann dir nicht danken;

Denn du straltest gar zu helle,

Als mich in der Sommerlaube

Keine Mutter sehen sollte.

Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Versuch in scherzhaften Liedern und Lieder, Tübingen 1964, S. 37.
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