Der Atheist

[36] Allerliebster Gott der Liebe,

Die dich lieben, liebst du wieder.

Ach! willst du mich denn nicht lieben?

Doris ist noch immer spröde.

Spanne doch den Bogen strenger,

Nimm den ärgsten deiner Pfeile,

Denn ihr Herz ist hart, wie Marmor.

Mit der Kunst bered'ter Lippen,

Mit der Macht vertrauter Schwüre,

Mit der Staatslist deiner Lehrer,

Mit der Würkung meiner Waffen,

Werd' ich es nicht leicht erobern;

Denn sie ist zu stark bewafnet.

Sie versteht die Kunst zu siegen,

Trotz dem besten deiner Krieger.

Wirst du sie denn überwinden?

Liebesgott! nur drei Minuten

Glaub' ich noch an deine Pfeile;

Hast du mir nach drei Minuten

Diese Spröde nicht gebändigt:

O! so will ich in der vierten

Dich und deine Mutter läugnen.

Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Versuch in scherzhaften Liedern und Lieder, Tübingen 1964, S. 36.
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