Vierzehntes Kapitel.

Von des Magneten wunderbarer Eigenschaft, Wirkung und Tugend. Mit beigefügten curieusen Kunststücken.

[228] Von dem Magneten haben viele tiefsinnige Köpfe weitläufig geschrieben, als Guilielmus Guilberlas, P. Athanasius Kircherus, Cartesius,[228] Porta, Henricus Morus und viele Andere mehr. Den Namen wollen sie von dem Land Magnesia, oder von dem Erfinder Magnate, oder von dem lateinischen Wort Magnus oder anders woher führen. Anaxagoras nennt den Magnet gleichnißweise den beseelten Stein, der, Kraft seiner Seele, das Eisen an sich ziehe, als wenn eine Braut von ihrem Bräutigam in die Arme gezogen würde, maßen unter allen Wunderdingen in der Natur eins von den größten der Magnet- und Eisenstein ist, aus welchem die Majestät der Natur sonderlich herfür leuchtet. Er hat kein Leben und macht doch bewegen; er hat kein Herz und liebt doch ausbrünstiger Begierde das Eisen; er hat keine Hände und zieht doch an sich; er hat keinen Mund und sagt doch, wo man in der Welt ist und wo man hinreisen soll. Er ist ein Affe, der bald dem Feldmesser, bald dem Schiffmann, bald dem Sternseher, bald den Bergleuten, bald den Wandersleuten, bald dem Arzt, bald auf dem Land, auf dem Wasser, ober und unter der Erde, bald zum Nutzen, bald zur Lust dient und ist das einige Mittel künstlicher Erfindungen.

Petrus Albinus berichtet von den Magneten, welche in den Meißnischen Bergwerken gefunden würden. Jedoch wären die orientalischen und arabischen Magnete am meisten berühmt, damit die Kirche zu Mekka gewölbt sey und Mahomeds Eisengrab darunter in der Luft schwebte. Der Großherzog zu Florenz hat in der weitberühmten Gallerie des Lustgangs oder Antiquitätenkammer[229] unter andern denkwürdigen Sachen mehr auch ein Stück des besten orientalischen Magnetsteins, welcher ungefähr eine halbe Elle lang und eine halbe Elle dick und von solcher großen Kraft ist, daß er eine 45 Pfund schwere eiserne Kette an und zu sich zieht, auch nicht von sich läßt, sondern mit höchster Verwunderung diese Kette also in der Luft anhält.

Die eigentliche Ursache, woher der Magnet solche Kraft, das Eisen an sich zu ziehen, haben möchte, haben sich viele spitzfindige Köpfe aus natürlichen Ursachen zu untersuchen rühmlich bemüht. Einige alte verständige Philosophen wollen solche Kraft den Atomis oder kleinen Körperlein beimessen, so von dem Eisen herausfließen und denen, so von Magneten herkommen, welche einerlei Figur und Gestalt hätten, also, daß sie einander leicht greifen können. Wenn diese nun an die beiden Körper des Steins und des Eisens anstoßen, springen sie davon wieder zurück mitten zwischen die beiden hin und begeben sich hernach zusammen wie sie können, und ziehen das Eisen mit sich. Hierwider aber ist Galenus und spricht: Es sey nicht zu glauben, daß die Corpuscula oder Körperlein, so vom Stein wieder zurückspringen, mit den andern Körperlein des Eisens, so ihnen gleich seyn sollen, zusammentreten und deren Verbindniß ein so schweres Wesen mit sich ziehen können. Ueberdieß, wenn das eine Eisen nun schon an dem einen Eisen hange und man noch ein anders an dieses halte, so bleibe dasselbe auch kleben, an diesem[230] wieder ein anders und so noch ein drittes, viertes und so weiter.

Wenn nun die Körperlein, so aus dem Steine zögen, indem sie an das Eisen stoßen, zurückspringen und also machen sollten, daß das Eisen allda hängen bliebe, so sey ja nicht möglich, sagt Galenus, daß dieselbe durch das Eisen und dessen leere Gänge durchgingen und wieder zu den vorigen zurückspringen und dadurch andere Eisenkörper mehr anfassen sollten, weil er selbst gesehen, daß fünf eiserne Griffel gleich fort aneinander gehangen und was er mehr Zweifels einführt. Baptista Porta meint, der Magnet sey etwas Vermischtes aus Stein und Eisen, also daß man ihn einen eisernen Stein oder ein steinernes Eisen nennen möchte, nicht daß er seine Natur verlöre, noch das Eisen, so gar in Stein versunken sey, daß es nicht sein Recht zu behaupten wisse, sondern vielmehr, daß eine Natur die andere suche unter sich zu bringen, und daß auch aus diesem Streit die Anziehung des Eisens erfolge, eines sey des andern treuer Mithelfer.

Insgemein hält man dafür, es sey eine Occulta qualitas, eine verborgene Eigenschaft in Anziehung des Magnets mit dem Eisen. Allein wenn man die Gleichheit des Magnets und des Eisens vernünftig überlegt, so wird man daraus die beiderseitige Beliebtheit der Anziehungskraft klar befinden.

Sonst ist bekannt, daß zwei verschiedene Samen am gebührenden Ort vermischt, eine dritte[231] Zucht herfürbringen, wie wir solches sehen, daß das Maulthier von einem Esel und einem Mutterpferd oder Stuten gezeugt werde, auch die geilen Gaisen mit den geilen Affen sich vermischen, dergleichen Exempel hat man auch leider an einigen Weibern erlebt, welche sich der verfluchten Sodomiterey gelüsten lassen und mit der Mißgeburt sind verbrennt worden. Wir wollen nicht sagen von den Bäumen, daß ein Geschlecht sich mit dem andern einimpfen lasse. Bei rechter Untersuchung des Magneten Kraft in dem Eisen sollte man meinen, daß die rechte Erkenntniß des Magneten bestünde in der Wissenschaft dessen Geburt und Natur, als der in seinem ersten Ursprung nicht ist eine natürliche, sondern monstrosische Geburt, weil er nicht aus zwei gleichen, sondern ungleichen Natureltern, wie ein Maulthier geboren wird und entspringt, also, daß seine Mutter und leidende Materi ein gemeiner und steinigter Mercurius, sein Vater oder wirkende Form ein metalisch-sulphurischer-martialischer Spiritus, welche beide allzeit beieinander gefunden werden, und weil sie miteinander ziemlich nah verwandt sind, vermischen sie sich miteinander. Weil nun ein jeder Spiritus allein von demjenigen begehrt ernährt zu werden, welcher seiner Natur am nächsten verwandt ist und solche Natur oder Geist allein im Marte gefunden wird, so zieht der innerliche martialische Geist des Magneten das Corpus Martis wegen seines verwandten oder gleichförmigen Geistes an sich, denn alles, was erschaffen[232] worden, ist bemüht, sich in seinem Wesen zu erhalten.

Zu verwundern ist es, daß dieser Wunderstein durch das Eisen gleichsam genährt werde, und wiederum durch seine Influenz oder Einfluß dem Eisen größere Kraft als er selber hat, an sich zu ziehen, mittheile.

Wir müssen glauben, daß die kräftigen Geister des Magnets des Eisens Strahlen an sich ziehen, und weil das Eisen nicht sobald seine innerlichen Geister verlassen will, so folgt, daß der Magnet zugleich das Eisen mit den Geistern an sich ziehe und umfasse. Wiederum, weil das Eisen in den Magnetgeistern seinesgleichen findet, begehrt es mit diesem vereinbart zu seyn, gleich zwischen Mann und Frau. Daß aber das Eisen anstatt des Mannes sey, ist daher zu schließen, weil es dem Magnet Kräfte mittheilt. Wenn er verdorben und kraftlos, kann er durch den Geruch der Zwiebel gleichsam wieder lebendig gemacht und begeistert werden.

Gleichwie nun unter dem Magnet und Eisen, unter dem Magnet und Zwiebeln eine große Sympathie, also ist unter dem Knoblauch und dem Magnet, wie auch unter diesem und dem Feuer eine große Antipathie, also, daß diese dem Magnet seine Kraft und Wirkung benehmen, wiewohl einige es auf der Probe nicht also befunden haben.

Des Magnets natürliche Kraft und eingepflanzte himmlische Eigenschaft ist, daß er das Eisen und Stahl anziehe und festhalte, das an[233] sich ziehende muß stärker seyn, als das, was angezogen wird, um so viel mehr, wenn es wider den Gebrauch der Natur, das Schwere soll in der Höhe halten, dessen Ursache ist, daß so kräftige Atomi oder Geisterlein ans diesem Stein dringen, welche das Eisen umfassen, plötzlich an sich ziehen und halten, wie unser Geruch, der Geschmack und das Gehör belustigt und gereizt wird. Auch hat eine jede Sache ihre Wirkung in ihresgleichen, wie des Feuers Wirkung in dem Holz, welches er verzehren kann, nicht aber in den Steinen ist.

Der Gewürze Geruch wirkt auf und in dem Feuer, das Gesicht vermittelst des Lichts etc., denn mit der natürlichen Eigenschaft hat die Natur alle Sachen verbunden, und solche verknüpft auch den Magnet mit dem Eisen, maßen es ein unvollkommenes Eisen seyn soll und unter der Erde leichtlich gar zu Eisen werden kann. Wie sich nun eine Flamme mit der andern und ein Wasser mit dem andern leichtlich vereinigt, also auch diese beiden, als gleiches mit gleichem.

Gleichwie die Menschen Freundschaft zu ihrer Erhaltung miteinander pflegen, also hat auch Gott unter den andern Geschöpfen eine Freundschaft gestiftet, maßen in vielen andern Sachen zu beobachten, als zwischen dem Mond und dem Meer, zwischen der Sonne und der Erdenluft, zwischen der Luft und der Lunge etc., welches etliche dem allgemeinen Weltgeist (Spiritus Universi)[234] beimessen, dessen Eigenschaft ist, alle Geschöpfe wesentlich zu erhalten.

Der Ag- oder Bernstein, wie auch das gemeine Siegellack, wenn es warm gerieben wird, zieht gleich wie der Magnet das Eisen, Stoppeln, Haare, Strohhalme etc. an sich. Die Bewegung der anziehenden Kraft soll entstehen von den scharfen und durchdringenden, auch zugleich zähen und fetten im Agstein verborgenen Geistern, welche subtil gemacht durch das Anreiben erhitzt werden und dann gar leichtlich leichte Dinge durchdringen.

Aus angezogenen Autoren wollen wir nun des Magnets wunderliche Wirkung, Lustspiele oder Kurzweile damit zu treiben, auch dessen übergroßen Nutzen kurz anzeigen.

Der alte Kirchenlehrer Augustinus schreibt, daß er gesehen, wie der Magnet einen eisernen Ring nach sich gezogen, und weil solcher Ring unten wieder mit Magnet bestrichen gewesen, er wieder einen andern eisernen Ring nach sich gezogen, ebenermaßen der andere den dritten und so fort, also daß daraus arcanis nodis eine ganze Kette ohne Schluß und Loth geworden, das ist, daß kein Ring in dem andern, sondern nur von außen an dem andern gehängt, als durch eine heimliche, sonderbare und unergründliche Kraft des Magnets.

Eben also, wenn eine Nähnadel einmal mit Magnet gerieben, so zieht sie eine andere an sich, gleicherweise eine bestrichene Messerspitze, einen Nagel, einen Dolch oder Degenspitze, ein[235] ziemlich großes schweres Stück Eisen. Es ist auch wunderlich zu sehen, wenn man hundert oder mehr Nadeln in ein Glas mit Wasser wirst, den Magnet von außen daran hält und übersich fährt, daß die Nadeln alle dem Stein nachfolgen.

Wenn der Magnet auf eine hölzerne Scheibe gelegt und frei zu schwimmen auf das Wasser gesetzt wird, so kehrt er sich alsbald mit seiner einen gewissen Seite gegen Süden und mit der andern gegen Norden. Wenn sein südlicher Theil ein Eisen berührt, so muß sich dasselbe gegen Norden kehren, und wenn mit dem nördlichen Theil des Magneten ein Eisen berührt wird, muß sich dasselbe gegen Süden lenken. Mit dem nördlichen Theil, das ist mit seinem Bauch, zieht er das Eisen durch eine freundliche Gemeinschaft an sich, und mit dem Rücken (das ist mit dem südlichen Theil) stößt er dasselbe durch seine natürliche Feindschaft von sich. Wenn mit der Nordseite die Spitze der Magnetnadel von der rechten Hand gegen die linke bestrichen wird, so muß sich dieselbe gegen Süden wenden. Wird aber das Streichen von der linken her gegen die rechte verrichtet, so lenkt sich die Spitze an die Seite gegenüber. Auf gleiche Weise macht auch die südliche Seite des Magneten ihre Veränderung, ja was noch mehr ist, wenn der Magnet durch sein Anstreichen ein Eisen magnetisch macht, das ist, daß es ein anders Eisen an sich ziehen kann und man eben dieses nunmehr magnetische Eisen umgekehrt, nämlich das[236] unterste zuoberst, abermals an den Magneten streicht, so wird es seine ziehende Kraft alsbald verlieren; das ist so viel gesagt, daß ein Magnetstein den andern an sich zieht und von sich stoßt. Der südliche sucht und verlangt den nördlichen und der nördliche den südlichen, dagegen der nördliche den nördlichen und der südliche den südlichen nicht leiden kann.

Daß ein Eisen auf dem Tisch tanzt: Man zerbreche eine Nähnadel mitten voneinander und werfe die Hälfte davon auf den Tisch; doch muß man ihr dickes Stück zuvor mit einem andern Magnetstücke bestreichen. Hernach nehme man einen Magnetstein in die Hand und stecke ihn heimlich unter den Tisch. Sobald man nun mit dem Stein an den Ort kommt, wo das dicke Ende der Nadel liegt, so hebt sich alsbald die Nadel auf und geht aufgerichtet, nicht ohne Verwunderung aller Umstehenden, den Tisch auf und ab und folgt also derjenigen Bewegung, die man mit der Hand unter dem Tisch vornimmt. Wenn man sie nun eine Zeitlang hat also spazieren lassen, so kann man den Stein gähling umkehren und dessen andere Spitze zu der Nadel wenden, so wird sich im Augenblick (welches noch verwunderlicher zu sehen ist), die Nadel auch umdrehen, und gleichwie sie zuvor auf dem dicken Ende spazieren gegangen, also nun auf der Spitze gehen. Und wie man nun unten die Hand führt, so folgt oben die Nadel und richtet sich allerdings nach ihrem Zug. Und wenn man den Magnetstein 3 oder 4mal umwendet,[237] also daß man bald das Süd- und bald das Nordende hinaufrückt, so kehrt sich auch die Nadel 3 oder 4mal um und steht bald auf dem dicken, bald auf dem spitzigen Ende, oder geht auch, wie man es haben will, bald auf dem Fuß, den sie erst in die Höhe gerückt, bald auf der Spitze, auf der sie vorhin gestanden. Und so auch im Stehen.

Dieses Spiel kann auch mit größerer Verwunderung bei den schauenden guten Freunden auf solche Weise fürgestellt werden: Wenn man nämlich 2 Nadelstöcke auf ein Papier oder auf einen Tisch legt, deren eines mit dem Süd- das andere mit dem Nordende des Magnets bestrichen ist, und hernach unten die Steine dergestalt anbringt, daß das eine auf dem dicken Ende, das andere auf der Spitze gehen muß, da sich dann bald die eine Nadel allein überwirft, bald beide zugleich, oder beide miteinander in Ordnung tanzen und sich nach einem Pfeifen- oder Saitenspiel bewegen, welches ja nicht allein kurzweilig genug ist, sondern auch recht große Verwunderung bei den Zuschauern erweckt. Noch lustiger ist es anzuschauen, wenn man von Stahl und Eisen gemachte Männlein und Weiblein auf den Tisch setzt, welche dem Magnet, so unter dem Tisch geführt wird, folgen müssen.

Wie man mit Zubereitung des Magneten allein durch auswendige Ueberlegung allerlei innerliche und äußerliche Krankheiten und Leibesgebrechlichkeiten ohne allen Schmerzen vertreiben und heilen möge, wissen die Herren Medici und[238] Chirurgi, und dürfen sie, bei sothaner erlangten Wissenschaft, keine Specereien weder aus Kalkutta, Indien noch Egypten herholen, indem er gleich das Eisen und Stahl durch seine große, wunderbare Kraft, Wirkung und sichtbare Gewalt, auch allerlei Krankheit und Gift aus des Menschen Leib heraustreibt. Wie der berühmte Medikus zu Königsberg Dr. Becherus mit Beihilfe des Chirurgi dem bekannten Messerschlucker vermittelst des aufgelegten Magnetenpflasters das Messer, so ich zu meiner Zeit zu Königsberg noch gesehen habe, aus dem Magen und Leib wiedergebracht und gesund gemacht, maßen der ganze geführte Prozeß der Kur im offenen Druck ist. Wenn man den Magnetstein in die Hand nimmt und eine Weile darin hält, so vertreibt er das Reißen in den Gliedern. Hiebei muß ich noch ein wunderbares Stück von dem Gänsedreck erzählen: Lege selbigen von einem Ganser Abends und Morgens auf eine Wunde, darin ein Eisen steckt, so zieht er das Eisen an sich, daß es vor das Loch kommt und man es mit den Fingern herausnehmen kann. So zieht Serapengummi Eisen und Dorn aus. Bibernellwurzeln zerschnitten und gestoßen, wie ein Pflaster aufgelegt, zieht die Beinsplitter aus den Wunden.

Alle magnetischen Arten sind zum Nutzen des Menschen geordnet. Gleichwie der Rücken oder Hintertheil des Magnets das Eisen von sich treibt, also treibt er auch das Gedärm zurück[239] und heilt den Bruch, wie nicht weniger alle Flüsse, so des Martis Natur an sich haben.

Sigismund Freyberger meldet von den alten Steinen also: Wie der Magnet das Eisen an sich zieht, also nimmt er alle Kopfschmerzen hinweg, heilt die Wassersucht und die unzüchtigen Weiber scheuen diesen Stein nicht ohne Ursache, denn wenn ein Ehemann aus Argwohn sein Weib im Verdacht hat, als hielt sie mit einem andern zu, so mag er nur diesen Stein seinem Weib im Schlaf auf den Leib (Andere sagen auf den Kopf) legen. Ist sie fromm und getreu, so wird sie sogleich aufwachen und den Mann umarmen, wo nicht, so springt sie aus dem Bett und bleibt nicht in der Kammer.

Auch sagt man, daß wenn die Diebe ein Haus berauben wollen, sie diesen klein zerriebenen Stein auf glühende Kohlen an den vier Enden desselben Hauses legen. Alsdann alle diejenigen, so im Hause sind, ein Schrecken ankommen soll, daß sie aus dem Schlaf erwachen, davon laufen, damit die Diebe sicher und ohne Scheu stehlen können.

Die Ursache dessen müßte seyn, daß der Magnetstein einer melancholischen Art ist, wie aus seiner Farbe zu schließen, daß dessen Rauch den Kopf müsse schwermüthig machen.

Durch diese hochschätzbare Kunst, verborgene Hilfe und wunderbare Tugend des Magnets kann man auf dem Meere übergroße Dinge ausrichten, indem dieser sonst unschätzbare Stein den[240] Schiffleuten den rechten Weg zeigt, wie und wohin sie ihre Schifffahrt mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Sicherheit schnurrichtig lenken sollen und auf der großen unermeßlichen See, in ihrer Kabuse sitzend, wissen können, auf was Titel der See ihre Schiffe stehen oder segeln. Daraus erscheint, wie göttliche Allwissenheit manchmal durch geringe Dinge große Wirkungen verrichte, gestalt die ganze Wohlfahrt aller Seefahrenden in Ost- und Westindien herrührt von einer unansehnlichen mit dem Magnetstein bestrichenen Nadel, die sich allezeit unverruckt aus eingepflanzter himmlischen Eigenschaft gegen Norden oder Mitternacht (Nordpolstern) wendet, und die 32 Winde oder Ecken der Erde kunstartig zeigt, nach welchem sich die Schifffahrenden auf der See und die Bergleute unter der Erde richten.

Daß Gott der erste Erfinder der Schifffahrt sey, bezeugt die Historie Noe, welchem Gott das wunderbare Schiff der Arche zu bauen und mit Pech in- und auswendig zu begießen, befohlen. Wiewohl es auch vermuthlich ist, daß vor ihm kleine Schiffe und Nachen gewesen sind.

Wir besitzen heut zu Tage viele Sachen und Künste, die unsern alten Vorfahren wohl bekannt und im Gebrauch, aber nicht so vollkommen wie jetzt gewesen sind, gestalt die Erfindung von Tag zu Tag reiflicher ergründet und mit der Zeit durch fleißige Uebung und Verbesserung zur höchsten Stufe der Vollkommenheit gebracht worden.[241]

In der Natur sind viele Wunderwerke, die man zwar täglich für Augen sieht, allein deren Ursachen sind schwer zu erforschen. Auch sind in der Natur noch viele Dinge verborgen, sind aber eine unerforschliche Quelle zu nennen, je weiter wir graben, desto tiefer wir kommen.

Anfänglich hat der Alten Witz und Kunst auf dem Meer zu fahren nur allein in der Kundschaft der Sterne, der Vorgebirg der Erde und Unterschied der Gestade bestanden, darnach sie das Ruder gerichtet. Wenn sie aber durch Ungewitter weit in die See getrieben worden, haben sie kein anderes Mittel gehabt, als nach den Sternen, der Sonne und Mond das Ruder zu richten. Bei nebeligem dunkeln Wetter aber haben sie in der Irre nach ihrem Gütdünken, nicht ohne Leibes- und Lebensgefahr gesegelt, wie denn die Indianer noch heutiges Tags durch solches Mittel weit übers Meer fahren.

Merkwürdig ist es, was Plinius schreibt, daß die Schiffleute auf der gerade unter der Mittellinie gelegenen Insel Tagrobana oder Sumatra, weil sie nimmer den Nordstern sehen können, diesen neuen Vortheil erfunden, indem sie viele Vögel mit sich ins Schiff nehmen, je zuweilen einen fliegen lassen, und weil der Vogel aus innerlichem Trieb der Natur immerdar nach dem nächstgelegenen Land fliehe, sie derselben Flug allezeit nachsegelten, wie sich dann der bekannte nordische Seeräuber Floco dreier Raben im Ausfliegen bedient, damit er sich, wo die Erde am[242] nächsten sey, erkundigen möchte und dadurch einige Inseln erfunden.

Woher, warum und aus was Ursachen der Magnet sich gegen Mitternacht wende. Davon ist theils vorher allbereits Anzeige geschehen. Harsdörffer untersucht diese Frage, macht aber einen zweifelhaften Schluß. Ich will nicht sagen von derjenigen Meinung, als ob der Magnet nicht nach dem Mond- oder Leitstern (wie man insgemein dafür hält), sondern nach den mitternächtigen Enden sich wende. Auch will ich mich hierin nicht aufhalten, ob die Poli Mundi entweder Magneten an sich selbst seyen oder doch eine besondere magnetische Kraft an sich hätten. Schwender sagt: Es wären die besten Tugenden des Magneten uns Menschen noch verborgen, und wüßte man in der ganzen Welt keine andere natürliche Ursache solcher Kraft und Eigenschaft herbei zu bringen, als daß sie durch eine sonderbare Sympathiam herrühren. Er erzählt, wie vermittelst des Magnetzüngleins zwei Personen in der Ferne einander etwas zu verstehen geben können.[243]

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 228-244.
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