Sechstes Kapitel.

Wodurch man beschädiget wird, dadurch kann man wieder geheilt werden; das Widrige wird durch sein gleiches Widrige geheilet: Gift durch Gift, Kälte durch Kälte, Hitze durch Hitze, Gestank durch Gestank.

[125] Die Vernunft hat ihre Kur mit ihrer Gleichheit. Gleichwie der Vernunft mit Worten eine Krankheit in Sensibilia, in das Empfindliche, eingeführt werden kann, daß sich die Vernunft kränkt, quält und endlich in schwere Krankheit bis in den Tod eingeführt wird, also kann sie auch mit dem Gegensatz desselben Dinges kurirt werden. Als zum Exempel: Es käme ein guter Wann in eine große Schuld, Kummer und Noth. Der kränkt sich bis auf den Tod; so aber ein guter Freund käme und zahlt vor ihn die Schuld. so ist die Kur mit der Gleichheit allbereit da. Also ists in allen Dingen, wovon die Krankheit entstanden ist, eine solche dergleichen Kur gehört zur Gesundheit. Man sagt im gemeinen Sprichwort: Böses muß man mit Bösem vertreiben und im Gegensatz Gutes mit Gutem erhalten. Eine jede Krankheit muß mit ihrem Gegentheil, als die hitzigen mit kalten Mitteln und so fort an ausgerottet und vertrieben werden. Böses[125] zieht Böses an sich, Gift zieht Gift an sich, nicht anders als der Magnet Eisen und nicht Silber oder Gold. Alle Steine, Thiere und Kräuter, so ein Gift bei sich haben, führen auch zugleich nützliche Kräfte in sich und müssen wir den davon kommenden Schaden nicht ihnen, sondern uns selbst zumessen, die wir nicht wissen, wie wir selbige zu unserem Nutzen gebrauchen sollen. Die Sonne erhält unser Leben, wenn sich aber ein Mensch nackt und blos in die größte Sonnenhitze legen wollte, würde sie ihm schädlich seyn, ja gar den Tod verursachen. Ein Degen ist und wird gemacht gegen seinen Feind zur Gegenwehr. Wenn man aber selbigen in Leib stoßen wollte, so benimmt er ihm das Leben. Eben also wenn man die giftigen Dinge nicht gebraucht, wie man soll, ob sie einem schon zu Nutzen gereichen könnten, so gereichen sie einem zum Schaden, in welchem Fall Niemand die Schuld als sich selbst beizumessen. Den Stein kann man kuriren mit den Steinen, so von Menschen kommen; für einen Mann, der von einem Mann kommt, für eine Frau, die von einer Frau kommen, selbige calcinirt.

Alle Metalle haben ihr verborgenes Gift bei sich, sonderlich das Quecksilber, Antimonium; und wie in dem Quecksilber das höchste Gift ist, also liegt auch darin die höchste Arznei. Und wenn ihm das Gift behutsam benommen ist und aus ihm ein wesentlicher Trank seiner Art nach zugerichtet wird, so reinigt er den menschlichen Leib von allem Aussatz, Franzosen und allen[126] Krankheiten, treibt aus dem Geblüt alle Leibesfeuchtigkeit, alle Unsauberkeit und Unreinigkeit, reinigt den ganzen Leib in allen seinen innersten und äußersten Theilen aufs allerhöchste und bringt ihn dahin, daß er gleichsam neugeboren, gesund, frisch und fröhlich wird, als der an seinem ganzen Leib keine Gebrechlichkeit, keine Beschwerde noch Langmüthigkeit befindet. Schlangen, Kröten, Moltwürme, Scorpionen, Spinnen u. dgl. giftiges Gewürm sind sehr schädlich, wenn ihnen aber durch die Kunst das Gift benommen wird, geben sie kräftige und durchdringende Arzneien. Wenn diese giftigen Thiere nur mit gemeinem Wasser gekocht werden, verlieren sie ihr Gift und können ohne Schaden genossen werden, weil derselbe Gift nicht in dem Fleisch, sondern vielmehr im Geist besteht, welcher im kochen hinweggeht, maßen Exempel genug zu finden, daß anstatt Ahlen bisweilen Schlangen gekocht, ohne Schaden sind genossen worden. Hingegen sind einige Ungeziefer, deren Gift im Wasserkochen nicht hinweggeht, sondern müssen durch die Kunst korrigirt und in eine sichere Medizin gegen die allerschwersten und unheilbar gehaltenen Krankheiten verwandelt werden.

Je giftiger das Fleisch von den Thieren ist, desto besseres und kräftigeres Gegengift derselben Zähne, Hörner, Haut, Haar und Klauen sind.

Ein Gift zieht das andere Gift, als seinesgleichen, an sich, nach magnetischer Art. Le Grand hält mit andern Gelehrten dafür, es sey des Giftes Eigenschaft, daß er von einem Ungleichen[127] ausgelöscht, von einem Gleichen aber vermehrt und stärker werde. Weßwegen man öfters beobachtet, daß wenn ungetreue Leute einem Gift beigebracht und selbiges mit einem andern Ungleichen vermischt haben, es nichts gewirkt.

Wolfskraut und anderes Gift tödtet gewiß, doch wird deren Macht bezwungen, wo man ein ungleiches Gift solchem zufügt, durch welche Ungleichheit beider Kraft gleichsam stumpf gemacht wird. Ausonius beschreibt eine wunderbare Geschichte von einer ehebrecherischen Frau, die ihrem Mann Gift beigebracht, damit aber solches desto stärker wirken sollte, that sie Quecksilber dazu, vermeinend, die doppelte Kraft würde ihn desto eher aufopfern, maßen auch deren jedes, wo sie wären getheilt worden, ein Gift gewesen, vermischt aber waren sie keins, darum als diese beide Gifte miteinander gleichsam gestritten und eines dem andern seine Macht benommen, so wurden sie zu einer Arznei, schadeten dem Mann nichts und gingen durch die Oeffnung von ihm ab. Aus diesem erhellt Gottes Vorsorge, dieses grausame Weib mußte einen Nutzen schaffen und wo Gott will, muß auch Gift helfen.

Das Herz der Vipern in der Sonne gedörrt und zu Pulver gemacht, zieht den Gift aus unsern Leibern; ist ein köstliches Präservativ wider den Schlangenbiß. Man nehme von einer lebendigen Schlange früh Morgens nüchtern das Herz heraus und verschlinge oder fresse es also lebendig, hernach einen Löffel voll frisches Wasser[128] darauf, so wird ihn sein Lebtag keine Schlange beißen noch beschädigen, hingegen er dieselbe fangen und in den Händen tragen können, ohne einige Gefahr verletzt zu werden.

Solches habe ich, sagt Francisci, selbst probirt und manchem ein Schlangenherz eingegeben, welches allzeit einem Jeden geholfen. Und dieses schreibt er der natürlichen Sympathie zu und erzählt viele wunderliche Sachen davon, welche der Unwissende für unnatürlich ausgeben dürfte.

Die Schlangen vergiften lebendig mit ihren Zungen. Wenn sie gedörrt bei sich getragen werden, vergeht das Gift und wenn man zu Gift kommt, fängt sie an zu schwitzen und offenbart damit den heimlichen Gift, daher sie große Herren bei sich tragen.

Wer von spanischen Mücken verletzt wird, der stoße derselben Fittiche und lege sie auf den Schaden, so wird er gesund, welches auch den Haaren eines wüthenden Hundes zugeschrieben wird.

Die Chymisten halten dafür, daß alle Krankheiten von dem innerlichen Salz, Schwefel und Quecksilber herkommen und dadurch wieder vertrieben werden müssen. Die Neapolitanische oder Französische Krankheit ist merkurialisch und kann anders nicht als durch den Mercurium geheilt werden. Die scharfen Feuchtigkeiten, Geschwüre und Drüsen kommen von dem gesalzenen Blutwasser, zu Latein Serum genannt, und müssen durch den bereiteten Salpeter gemittelt werden. Die Lunge wird durch schwefelichte Dünste belästigt[129] und durch derselben Balsam wieder geheilet.

Gift ist zwar schädlich, aber es ist doch Gift eines von den Ingredientien, daraus man den edlen Theriac bereitet. Der Scorpion vergiftet, aber Scorpionöl heilt wiederum. Antimonium oder Spießglas ist das allergrößte Gift, damit man Menschen und Vieh zum Tod hinrichten kann, und gleichwohl ist keine höhere Arznei unter der Sonne als Antimonium, wenn es nämlich durch die spagyrische Kunst umgewendet wird, weil darin sich der Mercurius, Sulphur und ein Sal zur menschlichen Gesundheit findet. Ein präparirtes oder zubereitetes Gift ist eine Arznei, weil nach seiner Bereitung alles Gift ausgelöscht, gedämpft und verschwunden, daß er eine Arznei bleibt, die allen andern inwendig entstandenen und eingewurzelten Giften widerstehen und sie aus dem Grund austreiben kann. Gestalt ein solches zubereitetes unschädliches Gift andern unbereiteten Giften widerstrebt und sie auch bereitet, daß sie ihr Gift ebenermaßen verlassen und ihm gleichförmig werden müssen, unangesehen, daß sie zuvor beide Gift gewesen sind.

Wer von einer Schlange oder Scorpion gestochen worden, halte auf den Stich einen Scorpion oder einer erschlagenen Schlange Kopf, so kehrt der Gift wieder zu seiner Hauptquelle, wo er mehr Gift findet.

Das Otternherz an der Sonne getrocknet und pulverisirt, ist dem Gift ganz entgegen und vertreibt solches aus dem menschlichen Leib.[130]

Dörre eine lebendige giftige Kröte an der Sonne, verbrenne sie in einem verschlossenen oder zugemachten Topf zu Asche, reibe die verbrannte Materie klein, lege solches Pulver auf einen giftigen Schaden, so wird ein Gift das andere ausziehen.

In Pestzeiten trägt man an sich gepulverte Kröten, eine lebendige Spinne oder Kröte eingeschlossen. Item, Arsenikum oder etwas dergleichen Giftiges, welches den Gift, der in der Luft ist, an sich zieht. Eben dieses Krötenpulver zieht auch alles Gift einer Pestilenzbeulen an sich. Der Honig heilt den Bienenstich und zieht an sich die Effluvia laesa laesi hominis, die kleinen Fleischtheilchen, welche die Biene durch ihren Stich verletzt gehabt und heilt also vermittelst deren im Honig steckenden Theilchen auch die im entzündeten und zurückgelassenen Platz. Item, wenn einer von einer Biene gestochen wird, so fange er alsbald etliche Mücken, zerdrücke und lege sie an den Stich, so wird der Schmerz in Kurzem verschwinden und die Geschwulst vergehen.

Deßgleichen hat ein Hund zugleich seinen Gift und Heilung bei sich mit einer wunderlichen Sympathie. Wenn ein Hund mit einem Menschen scherzt, spielt und ihm eine Wunde beißt, so wird sie gar bald heilen, bevor wenn der Hund den Schaden leckt. Beißt er aber einen mit einem erzürnten Zahn, ob solches gleich nicht tiefer als das vorgedachte Mal geht, so wird eine Wunde daraus, die des Zorngiftes theilhaftig[131] ist und wird sobald nicht heilen. Ist aber der Hund rasend und beißt, so theilt er dem Menschen durch den Geifer seine tödtliche giftige Wuth mit, daß er seiner unsinnigen Raserei nach zehn Tagen gleich werden muß. Wenn Jemand von einem tollen Hund gebissen ist, so lege er desselben ausgerissene Hundshaare auf die Wunde sie wird heilen.

Wenn eine Hündin läufig ist und einem Kind die Hand leckt, so fahren demselben Blasen auf. Eines Mutterpferdes Harn ist in der Brunst ganz giftig, so daß wenn einer die rothe Ruhr hat und etwas davon bekommt, es soviel ist, als ob er Gift bekommen hätte. Da doch sonst etwas Huf von der Stuten, die nicht im Springen begriffen ist, klein gepulvert, in Butter gekreischt und eingenommen, die rothe Ruhr alsbald stillt.

Wider den Wurm am Finger und wenn einem der Nagel abschwärt, nimm einen Regenwurm, sonderlich von denen, so unter einer Dachtrauf gefunden werden, selbigen lebendig um den Finger gewickelt, bis er stirbt, so hört alsbald der Schmerz auf und heilt der Finger in Kurzem.

Daß ein Gift das andere austreibe und austilge, ist mit dem Eisenhütlein zu beweisen, welches alle diejenigen, so etwa Gift in sich bekommen oder sonst von giftigen Thieren sind verletzt worden und solches zum Munde einnehmen, gewaltig errettet, wenn es aber zuvor gebraucht wird, tödtet es ohne Zweifel.[132]

Wider die Schmerzen der Kolik und Bauchgrimmen schmiere den Nabel mit Zibeth und lege ein warmes aus dem Ofen kommendes Brod darauf. Es stillt sich der Schmerzen, bevor das Brod kalt wird.

Ein jedes Thier, welches auch nur an einem einigen Theil des Leibs einen Gift hat, hat auch einen Balsam oder Saft bei sich, der dem Gift widersteht. Die Ursach setzt Weber in seinen curieusen Diskursen, dieweil ein solches Thier eine solche eingepflanzte Natur habe, vermittelst deren es sich vor der Schädlichkeit des Gifts verwahren kann. Wer von einer Biene gestochen ist, der lege Honig auf den Stachel, so wird er merkliche Linderung finden, denn der Honig, als ein Homogeneum, oder den Bienen etwas gar zu nahe befreundetes, ziehet an sich die Effluvia laesa hominis laesi, oder die kleinen Fleischtheilchen, welche die Biene durch ihren Stich verletzt gehabt und heilt den Stich. Wann der Elend mit der schweren Roth behaftet ist, soll er sein eigener Arzt seyn und des rechten Fußes Klauen in das linke Ohr stoßen. Daß die Elendsklaue eine große Kraft wider die fallende Sucht oder schwere Noth habe, zeigt die Erfahrung. Wenn man ein Stücklein davon in sein linkes Ohr thut und selbiges etwas damit reibt, wird der Patient alsofort genesen. Oder man trage ein Stücklein im Ring oder einen ganzen Ring am Goldfinger, oder ein Stücklein dieser Elendsklaue in die zusammengefaßte Haut gesteckt, hilft alsbald. Wer ein Stücklein hievon[133] auf die bloße Haut hängt, wird vor dieser Krankheit versichert seyn. Es muß aber die Klaue vom hintersten rechten Fuß seyn. Einen Ring von einer Elendsklauen am Finger getragen ist gut vor den Schwindel.

Von Frost und Hitze wollen wir klare Exempel beifügen. Man nehme ein hart gefrornes Ei, werfe oder lege es in sehr kaltes Wasser, lasse es eine Zeit lang darin liegen, so wird sich der Frost oder gefrornes Wesen aus dem Ei ziehen, das Eis sich an die Schale des Eies anlegen und zum vorigen Gebrauch kommen. Also auch wer ein Glied erfroren hat, der schlage ein kaltes Schneewasser darüber, so wird eine Kälte die andere an sich ziehen und das Glied wird gesund. Wenn den Leuten in Polen oder Liefland, da es sehr kalt ist, die Nasen oder ein anderes Glied erfroren, daß sie nichts mehr daran empfinden, auch in der Eil zu keiner warmen Stube gelangen können, stecken sie das erfrorne Glied in ein kaltes Wasser oder halten den Schnee darum, so wird ihnen geholfen. Also auch im Gegentheil, wer große Hitze hat, der schlage über die hitzigen Glieder, davon die Hitze entsprungen, eine hitzige Materie, nämlich einen guten hoch rectificirten Spiritum vini, welcher ein lauter Feuer ist, oder die Quintam Essentiam Sulphuris, so wird man gewiß finden, daß eine Hitze die andere Hitze an sich zieht, wie eine Kälte die andere, nach magnetischer Art, sich mit seines gleichen beliebe und dem entzündeten[134] Glied nicht allein Linderung gebe, sondern in vorigen Stand setze.

Hat der Mensch eine Hand oder sonst was verbrannt, so halte er selbige eine Zeit lang an das Feuer, so mischen sich die feurigen Geister, so in der Hand und im Feuer, untereinander und ziehen einander an, so daß die stärksten im Feuer, die andern, so ihres Gleichen, herausziehen.

Dygby sagt ein Mittel, wenn Diejenigen, so einen sinkenden Athem haben, den Mund über ein heimliches Gemach oder Kloak offen halten, so lange sie können, so werden sie durch die öftere Wiederholung dessen davon entledigt, weil der größte Gestank den geringern an sich nimmt.


Wider die Würm.

Wider de Kinderwürm soll nichts bessers seyn, als dergleichen Würm selbst auf einem glühenden Ziegel abzudörren und von diesem Pulver den Kindern eingegeben, soll sofort die andern, die sie noch incommodiren und beißen, forttreiben.


Wann die keinen Kinder Zahnschmerzen haben.

Nehmt einen alten Hahn, schneidet ihm den Kamm ab, fangt das herausfließende Blut auf und reibt dem Kind die Zähne damit, so wird es keine Schmerzen mehr empfinden.[135]

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 125-136.
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